In einer Ära, in der die Luftfahrtindustrie vor den Herausforderungen des Klimawandels steht, hebt sich Florian Kruse mit seiner visionären Fluggesellschaft ab. Kruse zielt darauf ab, den regionalen Luftverkehr durch den Einsatz von Wasserstoff- und Elektrotechnologien zu revolutionieren, wodurch nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern auch die Effzienz des Fliegens erhöht werden soll. Es ist eine Geschichte von Innovation und unermüdlichem Engagement, die Luftfahrtindustrie für zukünftige Generationen neu zu gestalten.
Herr Kruse, mit Ihrer umfangreichen Erfahrung durch über ein Jahrzehnt am Flughafen Bremen sind Sie ein wahrer Zeuge der Veränderungen in der Luftfahrtbranche. Die Fliegerei, einst ein Symbol grenzenloser Freiheit und technologischer Errungenschaft, steht nun im Spannungsfeld des Klimawandels und der Verkehrswende. Wie hat sich die Einstellung der Menschen zum Fliegen in den letzten Jahren verändert? Gibt es in der Gesellschaft wirklich ein Bewusstsein für Flugscham? Und wie spiegeln sich diese Veränderungen in den Passagierzahlen wider? Fliegen die Menschen weniger?
Es ist unbestreitbar, dass die Flugscham tief in das Bewusstsein vieler Menschen eingedrungen ist. Diese Entwicklung spiegelt eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Themen Umwelt und Klimawandel wider, eine Debatte, die die Luftfahrtbranche nicht länger ignorieren kann. Jahrelang wurde die Notwendigkeit einer Mobilitätswende in der Automobilindustrie heruntergespielt, und ähnlich verhält es sich mit dem Flugverkehr. Es wurde behauptet, dass es hocheffizient sei, 300 Menschen gleichzeitig zu transportieren. Aber diese Ansicht wird zunehmend hinterfragt – die Realität des Klimawandels lässt sich nicht leugnen.
Schon vor der Pandemie und den Aktionen der Fridays For Future-Bewegung begannen die Flughäfen, ihre Umweltabteilungen auszubauen und Projekte zu initiieren, um ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren. Diese ersten Schritte zeigten, dass die Branche erkannt hatte, wie wichtig es ist, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Und obwohl die Flughäfen auf Innovationen der Industrie warten, wie die vielversprochene Entwicklung von Wasserstoffflugzeugen durch große Hersteller wie Airbus und Boeing bis 2035 oder 2040, bereiten sie sich dennoch auf eine Zukunft vor, in der nachhaltigere Flugkraftstoffe eine zentrale Rolle spielen. Dieser Übergang zu Sustainable Aviation Fuel wird auch von den Flugzeugherstellern vorangetrieben, die diese als Zwischenlösung preisen, auch wenn bekannt ist, dass deren Produktion selbst erhebliche Mengen CO2 freisetzt. Dieser Umbruch in der Luftfahrt ist ein klares Zeichen dafür, dass wir an einem Wendepunkt stehen, an dem die Industrie beginnt, ihre Verantwortung für den Planeten ernst zu nehmen.
Können Sie uns mehr über Sustainable Aviation Fuel erzählen? Was genau versteht man darunter und welche Rolle spielt es in der Zukunft der Luftfahrt?
Sustainable Aviation Fuel – auch SAF genannt – wird als entscheidender Schritt zur Reduzierung der CO2-Emissionen in der Luftfahrtindustrie angesehen. Es handelt sich um eine Mischung aus synthetischen Treibstoffen, die oft bis zu 40, 50, 60 oder sogar 65 Prozent dem herkömmlichen Kerosin beigemischt werden. Das Ziel ist es, durch den Einsatz von SAF die CO2-Emissionen des Flugverkehrs signifikant zu senken.
Dennoch gibt es bei der Herstellung von SAF eine bedeutende Herausforderung zu beachten: Auch wenn durch den Einsatz von SAF die Emissionen während des Flugbetriebs reduziert werden können, so fallen bei der Produktion der Kraftstoffe selbst hohe CO2-Emissionen an. Es handelt sich also um eine teilweise Verschiebung der Emissionsquelle von der Flugphase zur Produktionsphase.
In der weiteren Entwicklung wird an SAF gearbeitet, das vollständig synthetisch und laborbasiert hergestellt wird. Dieses zukünftige vollständig liquide SAF verspricht, die Emissionen nicht nur bei der Verbrennung, sondern auch bei der Produktion zu minimieren. Allerdings steht diese Technologie noch ganz am Anfang und es wird erwartet, dass es noch Jahrzehnte dauern kann, bis sie in großen Mengen verfügbar sein wird.
Welchen tatsächlichen Beitrag trägt Fliegen zum CO2-Kuchen bei?
Die Frage nach dem tatsächlichen Beitrag des Flugverkehrs zu den globalen CO2-Emissionen ist tatsächlich vielschichtig. Zwar gibt es zahlreiche Studien und ansprechend gestaltete Kuchendiagramme, die versuchen, diesen Anteil zu quantifizieren, doch die Ergebnisse variieren erheblich. Eine verbindliche Antwort darauf zu geben, wäre daher zu kurz gegriffen.
Die Luftfahrtindustrie umfasst nicht nur den Passagierverkehr, sondern auch Frachtflüge, medizinische Flüge und die Nutzung von Privatjets im Geschäftsreiseverkehr. Hinzu kommt der so genannte Low-cost-Verkehr und der touristische Sektor. Jeder dieser Teilbereiche trägt auf unterschiedliche Weise zu den Emissionen bei.
Es ist daher essentiell, dass wir tiefer in diese Materie eintauchen und differenzierter betrachten, welche Flugaktivitäten wirklich notwendig sind und auf welche verzichtet werden könnte, um die Umweltbelastung effektiv zu reduzieren. Diese tiefgehende Analyse könnte uns erlauben, fundiertere und nachhaltigere Entscheidungen zu treffen, anstatt sich auf eine allgemeine und möglicherweise irreführende Einschätzung zu verlassen.
Trotz einiger positiver Entwicklungen wird die Gesamtgeschwindigkeit des industriellen Fortschritts in der Verringerung von Umweltauswirkungen weiterhin als langsam wahrgenommen werden müssen. Die Verwendung von Landstrom für Schiffe, um das Laufen schwerer Schiffsdiesel bei Liegezeiten im Hafen zu vermeiden, ist zwar ein Fortschritt, aber es ist nur ein kleiner Schritt in einem viel größeren Kampf. Um wirklich bedeutende Fortschritte zu erzielen, müssen tiefgreifendere Änderungen vorgenommen werden, wie etwa der Austausch großer Schiffsmotoren durch Brennstoffzellentechnologie.
Darüber hinaus gibt es die Notwendigkeit, unsere globalen Lieferketten zu überdenken, insbesondere die Produktion, die stark auf weit entfernte Standorte wie China ausgerichtet ist. Dies unterstreicht den umfassenden Bedarf an einer grundlegenden Neugestaltung unserer Industrie- und Transportmethoden, um eine nachhaltigere Zukunft zu gewährleisten. Es geht nicht nur darum, vorhandene Systeme leicht zu verbessern, sondern vielmehr darum, innovative Lösungen zu entwickeln, die es ermöglichen, die grundlegenden Herausforderungen des Klimawandels effektiv zu adressieren.
Angesichts der globalen CO2-Reduktionsziele, die von Unternehmen und politischen Parteien propagiert werden, und der offiziellen Behauptungen, dass das 1,5- oder 2-Grad-Ziel noch erreichbar sei, stellt sich die Frage: Sind wir mit der Elektrifizierung unserer Mobilität wirklich auf dem richtigen Weg? Diese Ziele werden vielleicht aus politischem Kalkül oder Optimismus verfolgt, während gleich-
zeitig der globale Ölbedarf prognostiziert wird, bis 2050 auf 122,3 Billionen Barrel pro Tag zu steigen. Zugleich haben 600 Millionen Afrikaner keinen Zugang zu elektrischem Strom, der zunehmend aus chinesischen Kohlekraftwerken stammt, die derzeit schnell in Afrika installiert werden. Angesichts des wachsenden Bedarfs an Kupfer, Grafit und Nickel, der eine umwelt- und gesundheitsschädliche Expansion der Bergwerke weltweit bedeuten könnte, fragen wir: Gibt es alternative Kraftstoffe, die eine nachhaltigere Lösung bieten könnten?
Wasserstoff gilt als das Element, das in der Mobilitätsbranche revolutionäre Veränderungen herbeiführen könnte. Es bietet das Potenzial, als Schlüsselkomponente in der Zukunft der Transportmittel zu fungieren, insbesondere über lange Strecken. Auf Schienen, in Trucks, Schiffen und sogar in der Luftfahrt wird Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen. Im Vergleich zur Elektromobilität, die eher eine Nischenlösung darstellt, kann Wasserstoff die europäische Luftfahrt auf mittleren Strecken effektiv bedienen.
Es gibt jedoch auch Herausforderungen in Bezug auf die notwendigen Ressourcen wie Schwefel und Grafit, die für die nächste Generation der Batterietechnologie entscheidend sind. Die Batterietechnologie selbst erlebt Sprünge in der Entwicklung, die erhebliche Effizienzsteigerungen mit sich bringen. Diese neuen Batterien, insbesondere Grafitbatterien, könnten aufgrund ihrer hohen Energiedichte und Effizienz die Reichweite der Luftfahrt drastisch erhöhen. Sie sind in der Lage, mehr Energie zu speichern und abzugeben, was einen erheblichen Vorteil darstellt.
Unser Unternehmen Evia Aero verfolgt einen parallelen Ansatz, um sowohl elektrisch betriebene Flugzeuge mit neun Sitzen als auch Wasserstoff-elektrische Flugzeuge mit neun bis neunzehn Sitzen in der Flotte zu betreiben. Diese Technologien ermöglichen es uns, auf zwei starken Säulen zu stehen: der Nutzung von Großbatterien für die Speicherung von Energie, die während des Tages gesammelt und nachts genutzt wird, und der direkten Umwandlung von Sonnenenergie in Wasserstoff durch Elektrolyse. Diese Infrastruktur unterstützt nicht nur den Betrieb von Flugzeugen, sondern auch die Wartung. Ähnlich wie Elektroautos erfordern auch elektrische und Wasserstoffhybride Flugzeuge eine andere Art der Wartung und spezialisiertes Fachwissen der Mechaniker. Dieser ganzheitliche Ansatz garantiert, dass wir die gesamte Wertschöpfungskette abdecken und gleichzeitig eine nachhaltige Luftfahrt vom Anfang bis zum Ende sicherstellen.
Wie sind sie auf die Idee gekommen, eine nachhaltige Fluggesellschaft zu gründen?
An einem späten Nachmittag vor vier Jahren, als ich mit zwei Freunden aus der Luftfahrt in meinem Büro saß, erkannten wir angesichts der aufkommenden Corona-Pandemie und der bereits bestehenden Krisen unserer Industrie, dass fundamentale Veränderungen unvermeidlich waren. Das vollständige Erliegen des weltweiten Luftverkehrs verdeutlichte uns, dass eine einfache Rückkehr zum Status quo nicht möglich sein würde. Es war offensichtlich, dass die Luftfahrtindustrie sich neu dimensionieren musste, insbesondere bei den Fluggesellschaften, die nun weniger Flugzeuge betreiben, weniger Ziele anfliegen und geringere Frequenzen bieten würden. Besonders betroffen waren die kleineren Flughäfen, deren Hauptzweck es ist, wirtschaftliche und soziale Konnektivität zu bieten.
In Bremen beobachteten wir, wie ein Flughafen, der vor der Pandemie bis zu sieben tägliche Verbindungen nach München und Frankfurt hatte, nun mit einer drastischen Reduzierung dieser Frequenzen rechnen musste. Diese reduzierte Nachfrage nach Flügen beeinträchtigte vor allem die kleineren Service-Anbieter, deren Geschäftsmodell auf der Verbindung zu großen Drehkreuzen beruhte. Die neuen Realitäten erforderten, dass die ersten zwei Meetings online stattfanden und nicht mehr physisch an entfernten Orten.
In unserer Diskussion wurde deutlich, dass es eine Nische gibt, in der wir mutig sein und innovative Technologien wie Elektro- und Wasserstoffantriebe nutzen könnten, um einen Markt zu erschließen, der durch die Auslöschung regionaler Carrier entstanden ist. Diese Technologien bieten die Möglichkeit, effizienter und kostengünstiger zu produzieren, was uns als Betreiber einen entscheidenden Vorteil verschafft. Durch die geringeren Wartungs- und Betriebskosten der elektrischen und Wasserstoff-betriebenen Flugzeuge können wir eine neue Form des regionalen Luftverkehrs entwickeln, der direkt von Punkt zu Punkt verkehrt, ohne die Notwendigkeit, große Drehkreuze zu nutzen und zusätzliche CO2-Emissionen zu verursachen.
Die Herausforderung besteht darin, die notwendige Infrastruktur zu schaffen, um diesen neuen Typ von Flugzeugen effizient zu unterstützen. Dazu gehört die Entwicklung großer photovoltaischer Anlagen und Batteriespeicher, um die Flugzeuge tagsüber zu laden und die Energie über Nacht zu speichern. Dies erfordert eine umfassende Planung und Investition, um nicht nur die Flugzeuge, sondern auch die Flughäfen mit grüner Energie zu versorgen und möglicherweise Energie an andere Unternehmen auf dem Flughafengelände zu verkaufen.
Es ist eine gewaltige Aufgabe, aber die Vorteile einer solchen Umstellung sind immens. Weniger Wartung, geringere Betriebskosten und die Fähigkeit, eine komplett nachhaltige Wertschöpfungskette zu unterstützen, sind nur einige der Vorteile, die diese Technologien bieten können. Dies ist ein entscheidender Moment in der Geschichte der Luftfahrt, in dem wir gemeinsam die Weichen für eine nachhaltigere Zukunft stellen können.
Können Sie näher erläutern, wie Hybridflugzeuge funktionieren, insbesondere im Hinblick auf die Reichweitenherausforderungen? Ähnlich wie bei Elektroautos, die nach etwa 500 Kilometern an eine Steckdose müssen, interessiert mich, wie diese Technologie bei Flugzeugen umgesetzt wird. Wie starten sie mit Elektromotoren und generieren anschließend selbst Energie? Muss ein solches Flugzeug auch zwischenlanden, um wieder aufzuladen, oder gibt es da andere Lösungen?
In unserer neuesten Flotte haben wir sowohl vWasserstoff-hybride und vollelektrische Flugzeuge bestellt, wobei ich mich auf die letzt genannte Technologie an dieser Stelle konzentrieren möchte. Beginnen wir mit den vollelektrischen Flugzeugen. Diese Flugzeuge haben, ähnlich wie traditionelle Kerosinflugzeuge, spezifische Verbrauchsregelungen, die sie erfüllen müssen, um zertifiziert zu werden und fliegen zu dürfen. Elektrisches Fliegen ist in Sachen Sicherheit mit herkömmlichen Methoden vergleichbar, ebenso verhält es sich mit Wasserstoff-Antrieben.
Ein praktisches Beispiel ist eine Flugroute von Bremen nach Kopenhagen. Hier berechnen wir den Stromverbrauch und müssen zudem eine zusätzliche Reservezeit für Umleitungen einplanen, genau wie in der konventionellen Luftfahrt. Diese sogenannte Diversion Time beträgt üblicherweise 45 Minuten und ist für Notfälle wie schlechtes Wetter vorgesehen, falls eine Landung in Kopenhagen nicht möglich ist und stattdessen nach Hamburg ausgewichen werden muss.
Sobald wir diese Daten haben, können wir die Ladezeiten und -mengen präzise kalkulieren. Wenn das Flugzeug in Kopenhagen landet, planen wir eine Ladezeit von etwa 30 Minuten ein. Dies ist eine akzeptable Bodenzeit, die die Betriebskosten niedrig hält und dennoch sicherstellt, dass das Flugzeug genügend Zeit in der Luft verbringt, um rentabel zu sein. Die Herausforderung besteht darin, die Ladezeiten optimal zu gestalten, insbesondere wenn wir nicht an jedem Standort eigene Photovoltaikanlagen betreiben können. Wir streben eine Mischkalkulation an, bei der etwa 50 Prozent des Stroms selbst produziert und 50 Prozent extern bezogen werden.
Die intelligente Steuerung von Ladevorgängen spielt eine entscheidende Rolle. Moderne Batteriemanagementsysteme ermöglichen es uns, die Batterien in bestimmten Ladezyklen nur anteilig aufzuladen bis zu dem Punkt,, der für den nächsten Flugabschnitt notwendig ist. Dies schont die Batterie und verlängert ihre Lebensdauer. Beispielsweise könnte das System entscheiden, dass etwa 78 Prozent Ladung für den nächsten Flugabschnitt ausreichend sind, und erst später eine vollständige Aufladung durchführen.
Diese fortschrittliche Herangehensweise erlaubt es uns, die Effizienz und Leistungsfähigkeit der Batterien maximal auszuschöpfen, ohne sie übermäßig zu strapazieren. Dies ist essenziell, um die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit unserer elektrischen und Wasserstoff-Hybridflotten sicherzustellen.
Welche maximale Reichweite kann ein neunsitziges Flugzeug aktuell erreichen?
Derzeit erreicht unser 9-Sitzer die bemerkenswerte Distanz von etwa 487 Kilometern, wobei der Hersteller sogar eine höhere Reichweite – genannt 500 plus diversity – in Aussicht stellt. Diese Angabe ist jedoch aus Sicht des Herstellers sehr konservativ, vergleichbar mit den ersten Generationen von Elektroautos, wo die Reichweiten vorsichtig geschätzt wurden, um Kundenenttäuschungen zu vermeiden.
Trotz dieser konservativen Schätzung, die wir vor anderthalb Jahren bei der Bestellung berücksichtigt haben, sind wir optimistisch, dass die tatsächliche Reichweite in den kommenden Jahren durch Fortschritte in der Batterietechnologie noch steigen wird. Es wird erwartet, dass bis 2028 eine neue Generation von Batterien verfügbar sein wird, die die Reichweite unserer Flugzeuge deutlich verbessern wird.
Zunächst konzentrieren wir uns darauf, Routen zu bedienen, die innerhalb der aktuell gesicherten Reichweite liegen, und planen, unser Streckennetz schrittweise zu erweitern. Beispielsweise wird Zürich nicht innerhalb der ersten zwei Betriebsjahre angeflogen, doch es ist ein Ziel, das wir nach und nach in unsere Planungen aufnehmen werden.
Der Vorteil unserer 9-Sitzer liegt darin, dass sie es uns ermöglichen, Marktnischen zu erschließen und Strecken zu bedienen, die zuvor nicht rentabel waren. So können wir beispielsweise Direktflüge zwischen kleineren Städten und Wirtschaftsregionen anbieten, die bisher aufgrund unzureichender Zugverbindungen oder schlechter Straßenanbindungen schwer zu erreichen waren. Dadurch, dass diese Flüge nicht über große Drehkreuze umgeleitet werden müssen, können wir auch CO2-Emissionen reduzieren, die sonst durch längere Straßenreisen oder Umsteigeverbindungen entstanden wären.
Unser Geschäftsmodell basiert auf einer engen Zusammenarbeit mit unseren Kund:innen, die regelmäßige und zuverlässige Flugverbindungen schätzen. Geschäftsführer:innen können beispielsweise morgens nach Brüssel fliegen und abends zurückkehren, ohne Übernachtungskosten und mit einer effizienten Nutzung ihrer Arbeitszeit. Dies steht im Kontrast zu den energieintensiven und oft weniger praktischen Flugtaxi-Modellen, die für kurze, städtische Routen konzipiert sind, jedoch nicht die gleiche Effizienz oder Wirtschaftlichkeit für längere Strecken bieten, wie wir sie mit unseren 9-Sitzern realisieren können.
Welche Städte gehören aktuell zu Ihren Heimathäfen?
Dazu zählen Bremen, Münster, Osnabrück, Chemnitz, Leipzig und Dresden, Esbjerg in Dänemark, Groningen in den Niederladen, Antwerpen in Belgien und Graz in Österreich.
Ein gutes Beispiel ist die Route von Chemnitz nach Prag, die der Mittelstand aus dem Erzgebirge dringend benötigt. Solche spezifischen Verbindungen ermöglichen es uns, zielgerichtet Märkte zu bedienen, die auf bestimmte Branchen zugeschnitten sind und daher eine zuverlässige Nachfrage garantieren. In den ersten Betriebsjahren könnten wir beispielsweise die Route von Antwerpen nach London City bis zu fünfmal täglich bedienen, was zeigt, wie gut diese zugeschnittenen Strecken zu unserem Geschäftsmodell passen.
Nicht nur traditionelle Routen sind für uns von Interesse. Auch neue Märkte, wie die schottischen Inseln, die bereits stark auf Nachhaltigkeit und Wasserstofftechnologie setzen, bieten einzigartige Chancen. Unsere Gespräche mit Vertretern dieser Inseln waren ermutigend, und wir sehen großes Potenzial für unsere Wasserstoff-Hybridflugzeuge in diesen Regionen.
Was die Flughafeninfrastruktur betrifft, so sind viele noch nicht auf dem Stand, um die Vorteile dieser neuen Technologien voll auszuschöpfen. Obwohl die Flughäfen traditionell nach dem nächsten großen Passagierstrom streben, müssen sie beginnen, ihre Strategien zu überdenken. Die Flughäfen sollten sich nicht nur auf kurzfristige Gewinne durch häufig wechselnde Routen konzentrieren, sondern auch nachhaltige und sinnvolle Verbindungen schaffen, die sowohl ökonomisch als auch ökologisch vorteilhaft sind.
Diese Überlegungen fordern von uns allen, insbesondere von den Flughafenbetreibern, eine neue Denkweise: eine, die über den nächsten Profit hinausblickt und stattdessen langfristige, nachhaltige und sinnvolle Luftverkehrslösungen priorisiert. Dies wird nicht nur die Art und Weise verändern, wie wir Geschäfte machen, sondern auch, wie wir als Gesellschaft miteinander und mit unserer Umwelt interagieren.
Gibt es in Deutschland oder vielleicht sogar in Europa noch weitere kleine Fluggesellschaften, die einen ähnlichen Weg wie Sie eingeschlagen haben, oder sind Sie in diesem Bereich Pioniere?
Aktuell sehen wir keine anderen kleinen Fluggesellschaften, die genau dasselbe Modell wie wir verfolgen, also nicht nur eine regionale Verkehrsgesellschaft CO2-neutral zu betreiben, sondern auch eine komplette Wertschöpfungskette selbst zu steuern. Unser Ansatz geht über das bloße Betreiben von Flugzeugen hinaus, denn wir integrieren auch nachhaltige Energiequellen direkt in unser Geschäftsmodell.
Das Management von Solarenergie bis hin zum Strom, der für die Flugzeuge benötigt wird, ist recht komplex. Nicht jeder kann einfach eine Photovoltaikanlage und einen zertifizierten Elektrolyseur installieren und erwarten, dass alles reibungslos funktioniert. Es erfordert bedeutende finanzielle Ressourcen, um beispielsweise eine zehn Megawatt Anlage nach dem Elektrolyseur aufzubauen, was Investitionen von etwa zwölf Millionen Euro bedeutet. Dies löst nur ein Problem an einem Standort.
Zudem gibt es Herausforderungen wie die noch nicht standardisierte Ladeinfrastruktur am Boden, die es ebenfalls zu bewältigen gilt. Die Finanzierung einer solchen Unternehmung ist intensiv, aber nicht unmöglich. Wir planen nicht, Flugzeuge zu kaufen, sondern sie wie viele andere Luftfahrtgesellschaften auch zu leasen. Die Flugzeuge werden von Investorengruppen finanziert, und wir betreiben sie. Das ermöglicht uns, uns auf die Erzeugung unseres eigenen Stroms zu konzentrieren, was ein entscheidender Vorteil unseres Geschäftsmodells ist.
Nun ein Blick in die Glaskugel. Wie wird Fliegen in der Zukunft sein? Was wird sich ändern?
Bis 2040 planen große Flugzeughersteller wie Boeing und Airbus, ihre Flotten durch Wasserstoffflugzeuge zu revolutionieren. Diese neuen Modelle, die voraussichtlich 100 bis 120 Sitze bieten werden, könnten eine signifikante Umstellung in der Luftfahrtbranche markieren, da sie vollständig auf diesen nachhaltigen Brennstoff ausgerichtet sind.
Parallel zu diesen Entwicklungen erleben wir bereits jetzt eine Revitalisierung des regionalen Luftverkehrs, der als Sprungbrett für nachhaltiges Fliegen dient. Dies betrifft nicht nur kleinere 9-Sitzer, sondern auch größere Modelle mit 19, 30 oder sogar 40 Sitzen. Der Ausbau dieser Flugklassen stärkt die regionalen Netzwerke und reduziert die Abhängigkeit vom herkömmlichen Hub-and-Spoke-System, das typischerweise Orte wie München oder Frankfurt als zentrale Knotenpunkte nutzt. Diese Umstrukturierung zielt darauf ab, die CO2-Emissionen zu minimieren, indem direktere und effizientere Flugrouten angeboten werden.
Auch die langfristige Geschäftsstrategie von Boeing und Airbus zeigt eine Abkehr von großen Flugzeugmodellen wie der A380 oder der 777, hin zu kleineren, effizienteren 100-Sitzern. Diese Neuausrichtung wird nicht nur das Fliegen nachhaltiger machen, sondern auch die Art und Weise, wie wir Mobilität in Europa und weltweit betrachten, fundamental verändern.
Gleichzeitig befindet sich die Branche in einem Spannungsfeld zwischen dem Einsatz von Sustainable Aviation Fuel (SAF) als kurzfristige Lösung und dem Bestreben, echte Innovationen zu schaffen. Es ist eine Zeit des Umbruchs und der Transformation, in der jeder Schritt, ob groß oder klein, in Richtung Nachhaltigkeit ein Schritt in die richtige Richtung ist. Obwohl die neuen kleinen Flugzeuge prozentual vielleicht keinen umwälzenden Einfluss auf die globale CO2-Bilanz haben werden, sind sie dennoch ein entscheidender Teil des Puzzles, um langfristige und tragfähige Veränderungen in der Luftfahrt zu bewirken. Jedes Flugzeug, das heute ausgeliefert wird, bleibt schließlich für rund 30 Jahre in Betrieb und produziert während dieser Zeit CO2 – deshalb ist es umso wichtiger, dass neue Technologien so schnell wie möglich eingeführt werden.
Beäugte man Sie anfangs kritisch?
Ja, anfänglich war natürlich eine gewisse Vorsicht zu spüren, und wir haben unsere Fortschritte Schritt für Schritt gemacht. Doch bereits nach einem Monat begannen wir, signifikante Verbesserungen zeigen zu können. Um die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in unser Projekt zu stärken, war es entscheidend, die richtigen Experten ins Team zu holen.
Wir haben beispielsweise einen Beirat gegründet, der Anfang des letzten Jahres seine Arbeit aufnahm und aus Fachleuten verschiedener Bereiche besteht. Zu den Mitgliedern zählen renommierte Persönlichkeiten wie Professor Otto Peitgen, ehemaliger Leiter des Fraunhofer Instituts und der Jacobs University, sowie Dr. Kai Brüggemann, ehemaliger Werksleiter bei Airbus in Finkenwerder und Bremen. Weiterhin gehören Axel Trampnau, ehemaliger Geschäftsführer der Germania und OLT Fluggesellschaft, sowie Henrik Rothe zu diesem Kreis.
Neben festen Mitarbeitern arbeiteten wir auch mit vielen Freelancern zusammen, die früher Eigentümer oder operative Führungskräfte von Unternehmen waren. Dies ermöglicht uns, ein breites Spektrum an Erfahrungen und Fachwissen zu nutzen. Als Investoren konnten wir neben mir Joachim Uecker gewinnen, die über umfangreiche Erfahrungen im Bereich der nachhaltigen Energie verfügt. Dieser hat in den letzten 23 Jahren Photovoltaikanlagen und Windräder in Finnland, Deutschland und Frankreich errichtet.
Unser enger Kontakt zu den Flugzeugproduzenten und Herstellern der Wasserstoffinfrastruktur ist ebenfalls von unschätzbarem Wert. Wir arbeiten regelmäßig mit den Produzenten zusammen, nicht nur um die Flughäfen für unsere Bedürfnisse auszurüsten, sondern auch um unsere Vision der Wasserstoffwirtschaft zu verwirklichen. Diese intensive Zusammenarbeit und das technische Know-how unserer Partner ermöglichen es uns, innovativ zu bleiben und sicherzustellen, dass unsere Unternehmungen sowohl technisch machbar als auch finanziell tragfähig sind.
Unsere Ingenieursdienstleistungen, die wir in Zusammenarbeit mit Adecco, einem führenden französischen Unternehmen, erhalten, erlauben uns, die Machbarkeit und Kosten unserer Projekte kritisch zu prüfen. Diese Partnerschaften sind entscheidend, um eine umfassende und robuste Strategie zu gewährleisten, die alle Aspekte unserer Wertschöpfungskette abdeckt und eine nachhaltige Zukunft für den Luftverkehr sichert.
Wie kam es zur Gründung Ihrer nachhaltigen Fluggesellschaft Evia Aero? Stand eher die Erkenntnis im Vordergrund, dass Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielt und Sie gemeinsam mit anderen an Lösungen arbeiten möchten, um die ökologische Wende im Luftverkehr voranzutreiben? Oder sahen Sie primär eine Marktlücke, in die Sie sich gezielt positionieren wollten? Inwieweit spielte das Motiv, aktiv zur Mobilitätswende beizutragen, eine Rolle in Ihrer Entscheidung?
Zu Beginn unseres Projekts stand eindeutig der kommerzielle Aspekt im Vordergrund. Doch mit jedem Monat, jedem Gespräch und jeder Diskussionsrunde haben wir unsere Mission und unser Verständnis für Nachhaltigkeit geschärft. Ich bin 48 Jahre alt und habe lange in der Flughafenindustrie gearbeitet, wo das Mantra immer „Wachstum, Wachstum, Wachstum“ lautete. Doch die Realisierung, dass ein Umdenken notwendig ist, hat sich langsam entwickelt.
Unsere Unternehmung ist nicht nur ein kommerzielles Unternehmen; sie ist eine Bewegung hin zu nachhaltiger Mobilität. Das bedeutet, dass wir aktiv daran arbeiten, nicht nur unsere Fluggesellschaft zu transformieren, sondern auch die Infrastrukturen und Netzwerke, die diese unterstützen. Dies wird durch unsere hochkarätigen Beratungsgremien und Partner unterstützt, darunter Branchenexperten wie Professor Otto Peitgen und Dr. Kai Brüggemann sowie erfahrene Führungskräfte aus der Luftfahrtindustrie.
Das einzigartige an unserer Herangehensweise ist, dass wir die vollständige Kontrolle über die Wertschöpfungskette anstreben, von der Erzeugung erneuerbarer Energie bis zum Betrieb der Flugzeuge. Unsere Investoren bringen umfangreiches Wissen und Ressourcen aus der nachhaltigen Energiebranche mit, was uns eine starke Position in der Branche sichert. Dieses Netzwerk ermöglicht es uns, innovative und nachhaltige Lösungen zu entwickeln, die weit über das Fliegen hinausgehen.
Ich bin aus dem sicheren Hafen einer städtischen Gesellschaft gesprungen, um diese Vision zu verwirklichen. Dieser Schritt war eine persönliche Entscheidung, die von einer tiefen Überzeugung getrieben wurde, dass wir die Art und Weise, wie wir über Luftfahrt und Umwelt denken, ändern müssen. Es ist ein Abenteuer, das nicht nur professionell erfüllend ist, sondern auch persönlich bereichernd.
Wir sind dabei, ein Umfeld zu schaffen, in dem Nachhaltigkeit im Vordergrund steht, von der Wahl der Flugzeugkabine bis hin zu den Lebensmitteln, die an Bord serviert werden. Diese Detailorientierung erstreckt sich bis zur Auswahl der Musik, die unsere Passagiere beim Einsteigen hören – all dies sind Elemente, die unser Engagement für einen wahren Wandel unterstreichen.
Abschließend lässt sich sagen, dass unser Projekt weit mehr ist als nur eine Fluggesellschaft. Es ist eine Plattform für Wandel, gestützt durch eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten, die bereit sind, für eine nachhaltige Zukunft zu kämpfen. Es geht darum, eine Branche zu inspirieren und zu zeigen, dass jeder Schritt zählt, egal wie klein er sein mag.
Wann wird Evia Aero den Flugbetrieb aufnehmen?
Wir gehen davon aus, dass wir unsere ersten Flugzeuge 2026 einflotten können und den operativen Betrieb aufnehmen. Vieles hängt von der Aircraft-Zertifizierung ab.
Vielen Dank, Herr Kruse, und viel Erfolg mit Ihrem Unternehmen!