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Warum wir dringend handeln müssen

Die Gefahren durch Artensterben und Klimawandel sind nach wie vor mindestens ebenso groß wie die Gefahren durch die Coronapandemie – und haben die gleichen Ursachen. Der Umweltforscher und Agrarökologe Josef Settele erläutert die Gründe und Folgen dieser dreifachen Krise anhand der Insekten, deren Gefährdung beispielhaft für die der gesamten Artenvielfalt steht. Die Auslöser sind zugleich wesentliche Ursachen für den Ausbruch von Pandemien. Der Klimawandel verstärkt diese Entwicklung noch mal dramatisch. Wie das geschieht, erklärt Prof. Settele
in diesem Gespräch, das wir im August 2021 im Museum für Naturkunde in Berlin führten.

Herr Prof. Settele, Sie haben vor zwei Jahren gemeinsam mit Sandra Dias aus Argentinien und Eduardo Bondizio aus den USA den Globalen Bericht des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) vorgelegt. Welche Erkenntnisse sind für Sie neu oder am beeindrucktesten gewesen?

Neu war für mich nicht der Inhalt des Berichts. Aber der Entstehungsprozess war beeindruckend, weil man am Ende mit den Vertreter:innen der Regierungsdelegationen Konzepte in Frage stellen konnte, wie das Bruttoinlandsprodukt als Maß aller Dinge. Wir haben uns entschieden, diese Fragestellung in den Bericht aufzunehmen, und waren erstaunt darüber, dass sie zwar nicht glatt durchging, aber doch im Bericht zu finden war. 

Prof. Dr. Josef Settele, 1961 in Bayern geboren, ist Professor für Ökologie und am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle / Saale. Er ist Co-Vorsitzender des globalen Berichtes des Weltrates für Biodiversität und wurde zum 1. Juli 2020 von der Bundesregierung in den Sachverständigenrat für Umweltfragen berufen.

Bei den Verhandlungen waren alle dabei: die USA, Argentinien, Brasilien, Indien und China. Man diskutierte über Fragen der Ethik und Werte, über Ideen, die jenseits der rein ökonomischen Bewertung liegen. 

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Die Menschen warten darauf, errettet zu werden.

Um die Klimakrise nicht außer Kontrolle geraten zu lassen, muss unsere Energieversorgung in den nächsten 15 Jahren vollständig auf regenerative Energien umgestellt werden. Kaum einer behält dabei den Überblick, was möglich ist und wie die Systeme funktionieren. Wie kann die Energiewende gelingen? Wir fragten Prof. Volker Quaschning von der HTW in Berlin, was jetzt zu tun ist.

Prof. Dr.-Ing.habil. Volker Quaschning lehrt und forscht im Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin.

Herr Prof. Quaschning, seit dem Jahr 2000 versucht sich Deutschland an der Energiewende. Jetzt haben wir noch fünfzehn Jahre, um klimaneutral zu werden. Sind Sie mit der Entwicklung zufrieden?

Um es ein bisschen harmlos auszudrücken, Deutschland stellt sich eher mäßig gut an. Man kann, wenn man ein Zeugnis ausstellen müsste, höflich formulieren, dass sich unsere Regierung sehr bemüht hat. 

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Das Bermuda-Dreieck der Energiewende

„Wer wirklich wissen will, warum das alles nicht so läuft mit Energiewende und Klimaschutz, der kaufe und lese dieses Buch. Großartig, aber auch erschreckend! So darf es nicht weitergehen, wir müssen die Klimabremser endlich stoppen“, so Prof. Dr. Harald Lesch über das Buch Die Klimaschmutzlobby. Trotz eindeutiger Verpflichtungen zu den Zielen des Pariser Weltklimaabkommens sind wir weit davon entfernt, diese auch zu erreichen. Wir fragten Dr. Susanne Götze, Mitautorin des Buches, woran oder an wem das liegen mag.

Was oder wer genau ist die Klimaschmutzlobby? Wer gehört dazu? Was sind das für Menschen?

Wir haben drei Gruppen identifiziert: die Leugner, die Bremser und die Rechtspopulisten. 

Dr. Susanne Götze, 41, ist eine deutsche Journalistin, Redakteurin, Buchautorin und Historikerin. Götze studierte Literaturwissenschaft, Politikwissenschaft und Geschichte an den Universitäten Potsdam, Paris und Grenoble. Sie arbeitet als Redakteurin für das Wissenschaftsressort des SPIEGEL und verfasst zudem Beiträge unter anderem für Die Zeit, Süddeutsche Zeitung und den Deutschlandfunk.

Angefangen haben wir unsere Recherchen bei den Leugnern. Als 2015 der erste Weltklimavertrag von der UNO geschlossen wurde, hatten eigentlich alle gedacht, das mit den Leugnern hätte sich ein für allemal erledigt. Aber dann kam Trump! Und die Leugner haben überhaupt nicht an Bedeutung verloren. Sehr viele davon haben sich mit Rechtspopulisten zusammengetan. Ohne Rechtsextremisten hätte diese Gruppe tatsächlich heute keinerlei Bedeutung mehr.

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freiwilligkeit ist vorbei!

„Der Ernährungs- und Agrarbereich muss jetzt so umgebaut werden, dass regionale Lebensmittel anhand einer Herkunftskennzeichnung erkennbar sind,  dass Projekte der regionalen Vermarktung institutionell gefördert werden und mehr Ernährungskompetenz vorhanden ist. Dazu braucht es systematische Programme und nicht nur hier und da kleine Modellprojekte“, meint Renate Künast, ehemalige Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, was Politik leisten kann und muss.

Eckard Christiani im Gespräch mit Renate Künast
(Fotografie: Michael Jungblut, fotoetage)

Frau Künast, es gibt ausreichend Gründe, über eine veränderte Ernährung und eine Agrarwende nachzudenken – alle für sich allein sind eigentlich schon ausreichend: unsere Gesundheit, die Klimakrise, das Artensterben, die Agrarkrise, letztlich auch die Coronakrise. Alle Krisen scheinen mit der Art und Weise, wie wir uns angewöhnt haben, uns zu ernähren, in Verbindung zu stehen. Sehen Sie das auch so?

Wissen Sie, was mich an Diskussionen zu diesem Thema stört? Am Ende geht es immer um das Individuum. Darum, wie wir uns als Einzelperson ernähren. Wir seien doch mündige Bürger, heißt es, man könne sich so oder so entscheiden. Für Food Waste sind wir auch als Individuum verantwortlich. 

Das lenkt aber den Blick weg von den Grundstrukturen. Deswegen würde ich nicht sagen „wie wir uns ernähren“, sondern „wie wir unsere Mittel zum leben herstellen“ – denn so nehme ich den gesamten Prozess in den Blick. Ob national oder international: Es fängt bei der Frage an, was wir dem Produzenten erlauben, wie er mit unseren natürlichen Ressourcen und Lebensgrundlagen umgeht. Es fängt damit an, dass wir eine Industrie zugelassen haben, die Zucker und Palmfett als billige Rohstoffe betrachtet. Durch diese beiden Inhaltsstoffe werden Produkte fest, sehen gut aus, bekommen das richtige Gewicht – und machen uns überdies süchtig und abhängig. 

(Fotografie: Michael Jungblut, fotoetage)

Wir haben Schönheitskriterien zugelassen. Die Möhre darf nicht einfach krumm wachsen, wenn im Erdreich ein Stein im Weg ist, denn dann kommt sie gar nicht erst in den Handel.

Wir haben in diesem Kontext Raubbau in internationaler Arbeitsteilung zugelassen: Die einen halten die Tiere, und die anderen stellen mithilfe von Chemikalien in Monokulturen das Futter für diese Tiere her. Wir roden Urwälder für Palmfett, wir stellen Zucker in Monokulturen her. Am Ende dieser Prozesse stehen hoch verarbeitete – sagen wir einmal: erfundene – Lebensmittel. Und zwar in einer Komposition, die nicht nur Umweltschäden – also die Klimakrise und das massive Artensterben – ausgelöst hat, sondern das Leben der Konsument*innen mehrfach belastet: durch die Folgen ebenjener Klimakrise und das Hüftgold an unseren Körpern.

In Zeiten wie diesen sind wir in den Lebensraum von Tieren vorgedrungen, zu denen wir sonst gar keinen Kontakt hätten. Wir haben sie sogar zu uns geholt und damit eine Pandemie begünstigt.

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