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Das Bermuda-Dreieck der Energiewende

„Wer wirklich wissen will, warum das alles nicht so läuft mit Energiewende und Klimaschutz, der kaufe und lese dieses Buch. Großartig, aber auch erschreckend! So darf es nicht weitergehen, wir müssen die Klimabremser endlich stoppen“, so Prof. Dr. Harald Lesch über das Buch Die Klimaschmutzlobby. Trotz eindeutiger Verpflichtungen zu den Zielen des Pariser Weltklimaabkommens sind wir weit davon entfernt, diese auch zu erreichen. Wir fragten Dr. Susanne Götze, Mitautorin des Buches, woran oder an wem das liegen mag.

Was oder wer genau ist die Klimaschmutzlobby? Wer gehört dazu? Was sind das für Menschen?

Wir haben drei Gruppen identifiziert: die Leugner, die Bremser und die Rechtspopulisten. 

Dr. Susanne Götze, 41, ist eine deutsche Journalistin, Redakteurin, Buchautorin und Historikerin. Götze studierte Literaturwissenschaft, Politikwissenschaft und Geschichte an den Universitäten Potsdam, Paris und Grenoble. Sie arbeitet als Redakteurin für das Wissenschaftsressort des SPIEGEL und verfasst zudem Beiträge unter anderem für Die Zeit, Süddeutsche Zeitung und den Deutschlandfunk.

Angefangen haben wir unsere Recherchen bei den Leugnern. Als 2015 der erste Weltklimavertrag von der UNO geschlossen wurde, hatten eigentlich alle gedacht, das mit den Leugnern hätte sich ein für allemal erledigt. Aber dann kam Trump! Und die Leugner haben überhaupt nicht an Bedeutung verloren. Sehr viele davon haben sich mit Rechtspopulisten zusammengetan. Ohne Rechtsextremisten hätte diese Gruppe tatsächlich heute keinerlei Bedeutung mehr.

Noch vor zwei Jahren befürchtete man eine echte Bedrohung durch Rechtspopulisten in Europa. In Frankreich und einigen osteuropäischen Ländern ist es noch heute so. Die Bedeutung von Leugnern des menschengemachten Klimawandels wird nur deswegen so brisant, weil sie eine politische Bühne bekommen. Die Rechtsextremen wiederum bedienen sich aus der Instrumenten- und Argumentenkiste der Klimaleugner.

Sind die Rechtspopulisten heute nicht doch eher Coronaleugner? Fürchten sie nicht eher eine Merkeldiktatur?

Genau, das Thema haben sie sich auch genommen. Zwischen Coronaleugner*innen und Klimaleugner*innen gibt es große Überschneidungen. Sie nutzen ähnliche Narrative und alternative Fakten, produziert von alternativen Wissenschaftler*innen. Es ist interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die Klimawandelleugner*innen in den verschiedenen Ländern denken und handeln. In Deutschland funktionieren sie beispielsweise komplett anders als in den USA.

Wir haben auf internationalen Konferenzen sehr aufschlussreiche Interviews geführt. Die krassesten Klimaleugner*innen sitzen tatsächlich in den USA. Sie sind nicht ausschließlich Republikaner*innen, sondern auch Mitglieder von Think Tanks, die seit den 1960er-Jahren von der Industrie ins Leben gerufen und finanziert werden, um bestimmte Narrative in die Welt zu setzen. Hier werden Studien, Papiere, Lehrmaterial, Flyer und Veranstaltungen entwickelt und Expert*innen herangezüchtet und in Talkshows platziert. 

Die kanadische Journalistin und renommierte Intellektuelle Naomi Klein geht davon aus, dass The Heartland Institute einer der einflussreichsten Think Tanks weltweit ist. Dessen Ansicht ist, dass der Klimawandel nicht menschengemacht ist und / oder nicht so schlimm ist wie behauptet und / oder nicht existiert. Das alles zeigt, dass man dort nicht so sicher ist, was eigentlich gelten soll – man ist sich selbst untereinander nicht einig. Die Narrative verändern sich immerfort, allerdings stets mit der Zielrichtung, dass alles so bleiben kann, wie es ist. 

Kommen wir aber wieder auf Deutschland zu sprechen: Die AfD hatte sich nach dem Abgang von Bernd Lucke das Thema Klimawandel angeeignet, weil sie neue Leerstellen füllen musste und ein Alleinstellungsmerkmal suchte. Sie versuchte sich als Partei von allen anderen abzugrenzen – beraten vom EIKE e.V. (Europäisches Institut für Klima & Energie). Die Partei eignet sich Themen so an, wie sie in ihr populistisches Raster passen – ob sie die Corona-Pandemie oder den Klimawandel dafür nutzt, ist dabei nicht ausschlaggebend. Sie inszenieren sich als eine Alternative zum angeblich bürgerlichen Mainstream. Dafür geben sie sich als Aufklärer aus, die angeblich als Einzige den Klimawandel hinterfragen oder alternative Ärzte zum Thema Corona zu Wort kommen lassen. 

Die Mitglieder vom EIKE e.V. sind zum großen Teil oft schon ältere Männer, eine Mischung aus Hobbywissenschaftlern, manchmal auch Ingenieuren oder Geologen, meistens schon im Rentenalter, die meinen, sie müssten jetzt noch mal was rocken. Sie fühlen sich tatsächlich von der Gesellschaft verstoßen und im Widerstand. „Alles geht in die total falsche Richtung!“

Zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Wasservorkommen in Afrika gehören: Überschwemmungen, Dürren, veränderte Niederschlagsverteilung, austrocknende Flüsse, schmelzende Gletscher und schrumpfende Gewässer. Ganze Volkswirtschaften leiden unter dem sinkenden Pegel der riesigen afrikanischen Flüsse. Robert Habeck fordert für Deutschland eine Klimawandelfolgenpolitik. Sind wir gedanklich einen wichtigen Schritt weiter?

Anpassung ist ein großes Thema. Annika und ich schreiben genau darüber unser nächstes Buch. Wir kommen von der Problemanalyse und fragen: Wie geht es weiter? Und nun? 

Oft noch unter der Hand sagen Klimaforscher*innen, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr zu erreichen sei. Es sei quasi unmöglich. Die Klimabewegung will das nicht offen aussprechen, denn es zählt jedes Zehntel Grad. 1,5 ist nur eine Marke. Es macht aber einen riesigen Unterschied, ob wir 1,5 Grad, 1,6 Grad oder 1,9 Grad plus haben.

In den letzten dreißig Jahren haben wir ausschließlich über die Reduzierung der CO2-Emissionen gesprochen. Man befürchtete, dass, wenn wir stattdessen über Anpassung redeten, alle denken könnten, wir müssten nicht mehr reduzieren. Mittlerweile müssen wir über Anpassung sprechen, weil viele Menschenleben daran hängen. Der Klimawandel hat nichts mit Wohlfühlen, sondern mit Leben und Tod zu tun.

Bevor wir gleich noch einmal auf die Lobbies zu sprechen kommen, lass mich noch einen Gedanken oder eine Frage formulieren: Man kann sachlich urteilen oder Angst schüren. Im Moment ersetzen wir das eine gegen das andere, den Verbrennungsmotor zum Beispiel gegen E-Mobilität. Wo aber ist eigentlich die leidenschaftliche Lust an der Veränderung oder am Wandel? 

Im Allgemeinen denke ich genauso wie du. In der Wissenschaft ist die Lust am Wandel da. Es gibt sehr viele kluge Leute, die sich mit der Verkehrswende und -politik beschäftigen. Da sehe ich ein großes Potenzial. Gerade auch, weil wir im digitalen Zeitalter leben, gibt es da sehr schlaue Lösungen. Alles zusammen denken, was man vorher nie zusammen gedacht hat. Da gibt es eine große innovative Kraft. Wann diese Kraft in der Gesellschaft ankommt, ist eine andere Frage.

In unserem neuen Buch haben wir ganz konstruktiv den Blick dahin gerichtet, wo es schon Lösungen gab und gibt. Ein populäres Beispiel sind die Radwege von Kopenhagen. Dort fahren sechzig bis siebzig Prozent der Leute mit dem Fahrrad zur Arbeit. Das ist dort überhaupt keine Frage mehr. Es ist auch egal, ob man grün, links, rechts, konservativ oder progressiv ist – wurscht, alle fahren mit dem Fahrrad.

Eine beliebte Strategie der Bremser in der Politik ist zu sagen: „Ihr könnt doch Fahrrad fahren. Macht doch, es stört uns nicht!“ oder „Kauft doch eure Bioprodukte, gibt es doch im Supermarkt“, „Es kann sich doch jeder entscheiden, wie er will!“. Es ist die Freiheit jeder und jedes Einzelnen zu machen, was sie oder er will. 

Das ist aber der Punkt: Die Menschen werden nicht von allein alle Veganer*innen oder Fahrradfahrer*innen. Das ist zu viel verlangt. Die Politik schiebt die Verantwortung weg. Aber: Die Politik ist zuständig, die Infrastruktur für Fleisch, Autos, fossile Energien so zu verändern, dass die Leute diese Veränderungen mitgehen können. Wenn ich in meiner Stadt keine vernünftige Fahrradinfrastruktur habe, fahre ich kein Fahrrad. Das ist mir einfach zu gefährlich. Auch heute noch kommen in Berlin Menschen um, wenn sie mit dem Rad zur Arbeit fahren. Wenn das nicht besser organisiert ist, dann haben die Leute verständlicherweise Angst vor einer solchen Veränderung.

In Rotterdam haben die Fahrradfahrer*innen Priorität, sie haben überall Vorfahrt. Das sind genau die Mechanismen, die man konzipieren und umsetzen muss. Die Politik weiß das. Es ist aber immer einfacher, die Verantwortung abzugeben. Die fossile Infrastruktur rund um den Autoverkehr wird seit Jahrzehnten gefördert. Auch deswegen gibt es keinen Veränderungswillen in der Gesellschaft.

Liegt der Stillstand nicht eher an der Angst der Parteien vor dem Wahlvolk?

Das sehen wir vor allem bei konservativen Politiker*innen. Teile in der Industrie sind schon viel progressiver unterwegs als die konservativen Politiker* innen. Wenn du dir Umfragen anschaust, dann siehst du, dass wir inzwischen eine überwältigende Mehrheit für Klimaschutzmaßnahmen haben. Das ist längst keine kleine Ökominderheit mehr, die über Klimaschutz schwadroniert. Das allerdings wird von der Klimaschmutzlobby so gestreut. Klar ist aber auch, dass, wenn es wehtut, die Leute nicht ohne Weiteres mitgehen. Wir hatten bei den Recherchen an unserem Buch das Gefühl, dass die Politiker, dass viele der älteren Herren, die im Parlament sitzen, gefühlt immer noch im 20. Jahrhundert leben. Sie haben sich einfach nicht weiterentwickelt. Warum sollten die Volksvertreter*innen weiter sein als das Volk? Sie haben so lange mit den fossilen Lobbies und Verbänden in dieser Infrastruktur und deren Narrativen gelebt – alles so tief in ihrer DNA –, dass sie mit den Veränderungen nicht so schnell mitkommen. 

Welche Partei, welche Politiker tun sich da besonders schwer?

Gerade in der Union sieht man das sehr gut. Conservare steht für bewahren. In der CDU / CSU will man keine Veränderung. Man ist konservativ – das ist der Ideologie inhärent. Alles, was Veränderung bedeutet, ist per se erst einmal suspekt. Gleichzeitig hängen sie, dadurch, dass sie eine starke Regierungspartei waren und sind, an dem alten System. Damit sind sie immer gut gefahren. Wieso sollten sie etwas daran ändern? 

Dazu braucht es schon eine ganze Menge von Schubenergie – ebendiese Dürre 2018, die Fridays for Future-Bewegung und die Grünen, die immer stärker wurden. Das alles braucht es, damit sich die Union bewegt. Wir nennen das die 20.-Jahrhundert-Ideologie. Und die ist gerade bei erfolgreichen älteren Männern, die darauf auch ihren eigenen persönlichen Erfolg gegründet haben, schwer wegzudiskutieren.

Konservieren steht für erhalten. Klimaschutz steht auch für das Bewahren, dafür, dass sich möglichst wenig verändert.

Angefangen, an den Klimaschutz zu denken, haben nicht die Grünen. Klimaschutz ist nicht links, rechts, grün  oder irgendwas. Es ist einfach Wissenschaft. 

1988 gab es die erste Enquete-Kommission Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre. Besonderes Augenmerk richtete sie dabei auf den Ersatz von FCKW und auf konkrete Maßnahmen zur rationellen Energieverwendung und die Auswirkungen auf unser Klima. Der Vorsitzende war ein CDUler, Bernd Schmidbauer, die Co-Vorsitzende war bei der SPD, Dr. Liesel Hartenstein. 

Später kam der progressivste Umweltpolitiker der CDU, Klaus Töpfer. Er war allerdings für Kanzler Helmut Kohl etwas zu progressiv, sodass er 1994 aus dem Kabinett ausschied und später Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) wurde und bis heute unglaublich aktiv ist. Solche Menschen vergisst man, wenn sie vom Bildschirm verschwinden. 

Wiederum etwas später eröffnete Angela Merkel die erste Weltklimakonferenz in Berlin und schrieb das Buch Preis des Überlebens. Wenn man das heute liest, denkt man, man hätte ein Stück Literatur von Fridays for Future in den Händen. 

Wenn man sich diese Gruppe an Personen im Rückblick so anschaut, verwundert einen das schon. Ursprünglich war also das Klimathema nicht durch irgendeine Gruppe gepushed worden oder kam von den 68ern oder den Grünen. Nein, das Thema kam von der Wissenschaft, wurde dann im Bundestag aufgegriffen und von der CDU und den Sozialdemokraten vorangebracht. Es liegt also nicht in der Natur der Union oder Angela Merkels, dass sie Klimaschutz nicht verstehen.

Es muss irgendwann der Moment gekommen sein, wo man merkte, dass die Forderungen, die mit dem Klimaschutz einhergehen, so gewaltig sind, dass man bestehende Infrastrukturen zu stark verändern müsste. Und damit würde man womöglich Leuten auf den Fuß treten, die bewirken, dass man an der Macht ist – um es einmal vorsichtig zu formulieren.

In diesem Moment fing es an, schwierig zu werden. Ende der 1990er-Jahre wurde von der Industrie das Narrativ gestreut, dass erneuerbare Energien auf keinen Fall mehr als zwei Prozent der Versorgung ausmachen werden. Das ginge technologisch gar nicht.

In den 2000er-Jahren ging es dann aber doch, als Rot-Grün das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) erlassen hatte. Die Entwicklung war beeindruckend, bis Elemente des EEG so sehr verbürokratisiert, schwierig und angeblich marktkonform formuliert wurden, dass der Ausbau mit Erneuerbaren ausgebremst wurde. Zu Beginn, Anfang 2000, war das EEG fünf Seiten lang. Heute hat es 170 Seiten. Das Verkomplizieren von Sachverhalten ist ein Mechanismus, den die Bremser in der Politik gern nutzen. Klimaschutz ist eh schon kompliziert. Man kann es aber so verkomplizieren, dass es keiner mehr versteht. So entstehen sehr viele kleine Stellschrauben, die im Detail nur noch Jurist*innen verstehen. 

Ihr schreibt in eurem Buch etwas von einem Bermuda-Dreieck der Energiewende. Kannst du darüber etwas mehr erzählen?

Das Bermuda-Dreieck besteht nicht etwa aus AfD-Politikern oder aus EIKE-Mitgliedern, sondern aus Abgeordneten der CDU, die die Energiewende ausbremsen. Diese Bremser sind meistens keine
Klimawandelleugner. Sie stellen den Klimawandel nicht in Frage, im Gegenteil haben Sie ein Klimawandelnarrativ und erkennen an, dass man Klimaschutz betreiben muss. Sie versuchen aber den Klimaschutz durch die Hintertür auszubremsen. Jahrzehntelang haben sie versucht, bestimmte Gesetze und Verordnungen zu verwässern oder Studien zurückzuhalten. Also alles zu tun, damit die Klimaschutzmaßnahmen nicht so radikal ausfallen, wie sie eigentlich umgesetzt werden müssten. Das Besondere ist, dass diese Menschen sehr einflussreich sind, weil sie in der Regierung und in den Ministerien sitzen und Gesetze verabschieden. Das ist der Grund, warum wir in Deutschland noch achtzig Prozent fossile Energieträger nutzen.

Es wird gern eine andere Zahl vorgeschoben: Wir hätten schon knapp die Hälfte Erneuerbare. Wo denn? Im Stromsektor. Wenn wir uns fairerweise alle Sektoren ansehen – Strom, Wärme, Verkehr, Landwirtschaft und so weiter –, dann sind wir noch bei rund achtzig Prozent fossilen Energieträgern. 

Wir haben also nur an die zwanzig Prozent in den letzten dreißig Jahren geschafft, unsere Infrastruktur zu verändern. Jetzt haben wir noch 25 Jahre, um die restlichen achtzig Prozent zu schaffen. Das ist eine enorme Herausforderung. 

Das liegt natürlich an den zögerlichen verwässerten Schritten und daran, dass die Fossilen – Kohle, Öl und Gas – nicht angefasst wurden. Die Bremser haben eine Parallelgesellschaft geschaffen, um niemandem weh zu tun. Wir haben Förderungen für E-Autos, wir wollen mehr Radwege bauen, wir versuchen Klimaschutz zu machen, gleichzeitig aber haben wir eine fossile Infrastruktur, die wir nicht anfassen. 

Okay, wir haben den Kohleausstieg beschlossen – 2038. Sieben Jahre, bevor wir klimaneutral werden wollen, beenden wir die klimaschädlichste Form der Energieerzeugung. Das ist schon abenteuerlich!

Und ,okay, wir haben inzwischen den CO2-Preis, wir haben aber weder die umweltschädlichen Subventionen angetastet, noch geplant, weniger Autobahnen zu bauen. Wichtige Schritte wurden nicht gegangen.

Man kann heute aus dem Wahlprogramm der Union herauslesen, dass sie diese Parallelität gern so weiterlaufen lassen würde. Die Hoffnung ist, dass irgendwann die große technologische Lösung kommt – Wasserstoff, CCS oder was sonst auch immer –, damit die fossile Infrastruktur nicht abgebaut werden muss.

Wir haben uns mit vielen Insidern aus Ministerien unterhalten, wo die Politik und die Verordnungen gemacht werden, wo Studien in Auftrag gegeben und Wissenschaftler*innen beauftragt werden. Die Schaltstellen sind das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium, die jahrzehntelang als klassische Gegenpole gegeneinander gearbeitet haben. Das Umweltministerium (BMU) ist in der jetzigen Regierung eines der schwächsten Ministerien. Die Entscheidungen über die Erneuerbaren liegen übrigens inzwischen im Wirtschaftsministerium (BMWi). Das eher progressive BMU hatte vormals noch Vertreter der erneuerbaren Energie empfangen. Das BMWi betrachtete das Thema Energiewende laut Insidern als ein eher abseitiges. Die Erneuerbaren würden irgendwie nicht so richtig ins Bild passen. Ein Informant erklärte uns, dass die Erneuerbaren sicherlich mehr Akzeptanz bekommen hätten, wenn RWE sie vorgeschlagen hätte. Hätte RWE 2005 gesagt: „Schaut mal, wir haben hier was Tolles erfunden: ein Windrad, dreht sich und macht super Strom“, dann wären alle sofort aufgesprungen und hätten Deutschland verlässlich zum Vorreiter für erneuerbare Energie gemacht.

Das Bermuda-Dreieck der Energiewende besteht aus Abgeordneten der Union, die jahrelang versucht haben, gegen die Energiewende zu arbeiten. 

Joachim Pfeiffer gehörte dazu, musste allerdings im April 2021 den Hut nehmen, weil er über hohe Provisionszahlungen für die Vermittlung von Corona-Schutzausrüstungen gestolpert war. 

Ein anderer, Thomas Bareiß, sitzt im BMWi als Staatssekretär und macht öffentlich Werbung für marktradikale Think Tanks wie die INSM (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft), die lange gegen das EEG und den CO2-Preis lobbyiert hat. Thomas Bareiß ist überdies auch Mitglied im Berliner Kreis, einer Gruppe innerhalb der Union, die den Klimawandel leugnet. Wir haben ihn per Mail gefragt, was er vom menschengemachten Klimawandel hält. Er antwortete, er sähe sich nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten. Er könne es nicht beurteilen. Die Marktradikalen, wie zum Beispiel auch Mitglieder der FDP, haben kein Interesse an Regulierungen. Aber Klimaschutz braucht immer Regulierung, wenn er wirklich etwas bewirken soll. Es ist naiv zu glauben, dass der Umbau unserer Gesellschaft in der Schnelligkeit allein durch den Markt und ein paar Anreize funktionieren wird.

Chefredakteur Eckard Christiani mit Dr. Susanne Götze

Susanne, vielen Dank für diese interessanten Einblicke.

Das gesamte Gespräch im neuen Band drei wie wir morgen nachhaltiger leben wollen.

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Von Eckard Christiani

Eckard Christiani ist ein Journalist, Kommunikationsberater und Grafikdesigner.