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David Marx ist kreativer Kopf und Gründer von Science Kitchen und eine nie versiegende Quelle der Inspiration. Sein erstes eigenes Produkt dreampops hat bereits eindrucksvoll bewiesen, wie unglaublich schön, gesund und neuartig Eis am Stiel sein kann. Wir haben mit ihm über seine Produktideen, über Gastronomietrends und unser Essen der Zukunft gesprochen.

Womit beschäftigen Sie sich zurzeit?

Mich interessieren zurzeit die Möglichkeiten, mit Pilzen, Algen, Bohnen und Insekten zu kochen. Das sind ganz wichtige Themen für die Zukunft. Wir wollen mit Spitzenköchen eine Pilzfarm und ein Pilzlab in Portugal aufbauen.

David Marx, kreativer Kopf und Gründer von Science Kitchen
(Fotografie: Michael Jungblut, fotoetage)

Ich möchte Lösungen finden, die nachhaltig sind, die aber auch funktionieren. Und die nicht immer so eindimensional gedacht werden. Es gibt einige kleine Start-ups, die sich – jedes für sich und oft mit Angst vor der Industrie – mit Pilzen, Algen, Bohnen und Insekten beschäftigen. Aber diese kleinen jungen Unternehmen können die Welt nicht ernähren. Das kann nur die Lebensmittelindustrie. Wir müssen beide zusammenbringen. Es gibt etliche große Konzerne, die sind durchaus offen, aber zu träge, schnell auf neue Bedürfnisse zu reagieren. Sie sehen nicht, auf welche Trends sie aufspringen müssten.

Wir müssen lernen, mit welchen Algen wir Lebensmittel zubereiten, welche der zigtausend unterschiedlichen Pilze wir genießen und welche Insekten in welchem Entwicklungsstadium wir essen können – das sind Dinge, von denen wir keine Ahnung haben. Im Kleinen funktioniert das: Wir können einen „Müsliriegel“ mit Insekten produzieren. Das ist unappetitlich. Ich rede deswegen auch eher von Mimi-kry, um vom Bild eines Insekts wegzukommen. Auch in China gilt so etwas nicht als Delikatesse. Selbst dort isst man Insekten, weil man Hunger hat. Das bleibt auch für die meisten Chines*innen ekelerregend. 

Aber: Diese vier Lebensmittel – Algen, Bohnen, Pilze und Mimikry – beinhalten alles, was wir brauchen. 

Haben wir die richtigen Köch*innen und die richtigen Technologien, um neue Speisen zu kreieren?

Wir brauchen Technologien, wir brauchen aber vor allem neue Köch*innen, so jemanden wie Ferran Adrià, Juan Amador und Heston Blumenthal. Wir müssten hybride Lösungen, neue Produkte erschaffen, die „lecker“ sind, damit wir auch die Chines*innen davon überzeugen können, weil sie bei der veganen Welle noch nicht so richtig mitschwimmen. In Ostasien und Afrika haben wir rapides Bevölkerungswachstum, sodass wir dort Lösungen für Ernährungskonzepte brauchen.

Es kann nicht sein, dass wir simple Ideen vermarkten wie einen Insektenburger. Das geht dann durch die Presse und viral im Netz. Da frage ich: Wieso denn Burger? Warum machen wir immer Produkte nach, die es doch schon gibt? Warum haben wir eine vegane Wurst, einen veganen Burger? Warum können wir vegane Chicken McNuggets kaufen – übrigens mit einer sehr langen Liste an kaum bekannten Inhaltsstoffen. Mein Tipp: Lesen Sie sich einmal durch, welche Stoffe diese Produkte beinhalten. Es kann doch nicht der richtige Weg in die Zukunft sein, dass wir achtzig Inhaltsstoffe benötigen, um einen Burger „zusammenzukleben“.

Wie dann?

Wir müssen neu und anders denken. Stichworte: Food Waste und Food Loss. Das macht schon 40 Prozent unserer Nahrungsmittel aus. Was verliert beispielsweise ein Bauer in Indien auf dem Weg von seiner Farm bis zum Markt? Warum verliert er so viel vor Ort? Hat er keine ausreichenden Kühlmöglichkeiten? „Ach, der hat ja noch nicht einmal ein Fahrrad. Er muss zu Fuß zum Markt?“ Wir haben hier in Europa keine Ahnung, wie banal die Probleme vor Ort sein können. 

Die großen Herausforderungen interessieren mich. Und dabei Leute zusammenzubringen, die offen und frei darüber nachdenken, wirklich neue Produkte zu schaffen. Ein Beispiel: Pilze sind das nächste große Ding. Da kennen wir uns noch zu wenig aus, aber sie sind leichter zu handeln als Algen. Ich arbeite grundsätzlich nur noch mit Produkten, die man über sogenannte Infarm-Lösungen in Massen herstellen kann. Definitv haben wir ein großes Problem mit Farmland, das wir nicht endlos skalieren können. So viel Farmland steht uns nicht zur Verfügung – gerade auch mit Ausblick auf die Folgen der Klimakrise. 

Entwickeln wir lieber Ideen, bei denen wir in 20- bis 35-Millionen-Städten Infarm-Lösungen betreiben können – im minus zwanzigsten Stockwerk im Dunklen. Dort könnten Kräuter, Bohnen und Salate wachsen, und dort können Insekten gezüchtet werden. Vor Ort könnten fertige Produkte entwickelt und von dort ausgeliefert werden. Diese Ideen finde ich sehr spannend. Die Zukunft wird zeigen, dass in Städten produziert wird. Der Farmer, der 50 km Anfahrtsweg hat, ist nicht mehr wettbewerbsfähig. Es wird nicht möglich sein, dass diese Farmer jederzeit frisches Obst und Gemüse in den benötigten Mengen anbieten können – und dann am besten noch ohne Druckstellen.

Um hier die richtigen Wege zu finden, muss man auf der Welt die Menschen fragen, welche Probleme und Bedürfnisse vorherrschen. Man muss die Schwed*innen fragen, die Neuseeländer*innen, die Australier*innen und  die Amerikaner*innen, und zwar all diejenigen, die ein Know-how haben und schon Expert*innen geworden sind, aber immer noch in Monokulturen wirtschaften. Diese Menschen muss man alle zusammenbringen und davon überzeugen, in hybriden Lösungen zu denken. „Die Alge kann das. Die Bohne kann das. Du kannst das. Können wir das bitte schön nicht einmal zusammenbringen? Könnten wir vielleicht ein Brot daraus backen oder Pasta herstellen? Oder etwas ganz anderes …“

Ich liebe Science Fiction.

Das gesamte Gespräch in Band eins wie wir morgen essen und trinken wollen.

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Von Eckard Christiani

Eckard Christiani ist ein Journalist, Kommunikationsberater und Grafikdesigner.

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