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Eine ganze Welt in uns

Eine gesunde Darmflora schützt vor Herzinfarkt, Diabetes, Allergien, Rheuma, Depressionen und vielen anderen Zivilisationskrankheiten. Dabei arbeiten das Immunsystem und das Mikrobiom Hand in Hand. Wie die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft ganz einfach im Alltag umsetzt werden können, darüber sprach ich mit Alexandra Renkawitz.

Der Mensch hat über seine Haut und Schleimhäute Kontakt zur Außenwelt. Diese Kontaktstellen ermöglichen den Austausch mit der Luft, der Nahrung sowie mit Giftstoffen, Bakterien und Viren. Die Haut bildet eine Grenzfläche zur Außenwelt, die je nach Geschlecht und Größe etwa 1,6 bis 1,9 Quadratmeter groß ist; die Schleimhäute haben eine Gesamtfläche von etwa sechs Quadratmetern. Wie schützt sich der Körper?

Dipl. oec. troph. Alexandra Renkawitz, geboren 1966 in Rheinfelden, studierte Komplementäre Medizin, ist Ernährungswissenschaftlerin und arbeitet in eigener Praxis. Die Mutter von zwei erwachsenen Söhnen lebt mit Ihrem Mann auf einem Gehöft in der Nähe von Frankfurt.

Wir haben mehrere lymphatische Organe, die eine wichtige Rolle beim Schutz unseres Körpers spielen. Der Schutz beginnt mit dem Rachenring, der potenzielle Eindringlinge aus der Atemluft oder Nahrung abwehren kann. Zudem haben wir immunkompetente Zellen auf der Hautoberfläche, die in der Lage sind, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Wenn ein potenziell gefährlicher Eindringling erkannt wird oder die Integrität des Körpers bedroht ist, kann eine immunologische Kaskade oder Kettenreaktion ausgelöst werden. Dabei werden Organe oder tiefer liegende Gewebeschichten aktiviert. Wenn der Eindringling bereits bekannt ist, wird eine normale Antigen-Antikörper-Reaktion oder das Eingreifen von Gedächtniszellen in Gang gesetzt, um den Eindringling schnell zu eliminieren. Bei einem neuen Eindringling werden spezifische Abwehrmechanismen erstellt, und ein Trainingsprozess im Immunsystem findet statt.

Immunkompetente Zellen, die teilweise im Knochenmark produziert werden, spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie befinden sich in Röhrenknochen wie dem Becken, den Rippen, dem Brustbein und dem Schlüsselbein, aber auch in den Lymphknoten und in immunologisch relevanten Organen wie der Leber und der Milz. Zudem finden sich diese Zellen in verschiedenen Strukturen, wie zum Beispiel den Peyer-Plaques im Darm.

In letzter Zeit hat man viel über das Mikrobiom gehört, welches eine bedeutende Rolle bei der Immunabwehr des Körpers spielt. Aber was genau ist eigentlich das Mikrobiom?

Das Mikrobiom bezieht sich auf die Gesamtheit aller Mikroorganismen und ihrer Gene in einem bestimmten Lebensraum. Es besteht aus verschiedenen Mikrobiota, die die jeweiligen Körperstrukturen besiedeln. Zum Beispiel hat die Haut ihr eigenes Mikrobiom, ebenso wie die Ohren oder die Blase. Jede Körperregion hat eine spezifische Mikrobiota. Wenn wir jedoch über das Mikrobiom sprechen, beziehen wir uns in der Regel auf das Darmmikrobiom, das die Gesamtheit aller Gene der Mikroorganismen im Darm umfasst. Dabei handelt es sich nicht nur um Bakterien, sondern auch um Viren und Pilze.

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Wie viele Mikroorganismen haben wir eigentlich in uns und auf uns?

Es gibt unterschiedliche Ansichten zu dieser Frage. Einige behaupten, dass das Mikrobiom oder die Mikrobiota des Darms etwa zwei Kilogramm wiegen. Es gibt Experten, die sagen, dass es im Darm idealerweise oder im besten Fall etwa 4.000 Arten von Bakterien gibt. Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass diese Zahlen sich
möglicherweise noch ändern oder korrigiert werden können, da die Forschung auf diesem Gebiet fortlaufend neue Ergebnisse präsentiert.

Der erste Mikroben-Zoo wurde erst 2014 von der niederländischen Königin Maxima in Amsterdam eröffnet. Also vor knapp 10 Jahren. Sind die Erkenntnisse rund um das Mikrobiom also wirklich so neu? Wann wurde das Mikrobiom entdeckt? Und wie weit sind die Erkenntnisse in der Fachwelt anerkannt?

Ja, das ist tatsächlich noch gar nicht so lange her, dass die Wichtigkeit des Mikrobioms erkannt wurde. Früher galt der Darm sogar als steril – also vielleicht vor weniger als 100 Jahren. Die Erforschung des Mikrobioms hat erst zwischen 2000 und 2010 Fahrt aufgenommen. Anfangs gab es nur wenige Publikationen pro Jahr, aber mittlerweile gibt es Tausende von Publikationen pro Monat zu diesem Thema. Das Mikrobiom ist zu einem interdisziplinären Thema geworden, dem keine Forschungseinrichtung mehr ausweichen kann und will. Viele Mediziner:innen waren zuvor stark auf ihr eigenes Fachgebiet fokussiert und es fiel ihnen schwer, interdisziplinär mit anderen medizinischen Fachgesellschaften zusammenzuarbeiten und in Netzwerken zu denken. Doch das ändert sich gerade, da das Mikrobiom als anerkannte Schnittstelle immer mehr an Bedeutung gewinnt, wie die steigende Anzahl an Publikationen zeigt.

Die Frage nach der Ursache wird in der Medizin viel zu selten gestellt. Was das Darmmikrobiom für unsere Gesundheit zu leisten im Stande ist, zeigt ein Beispiel aus deinem Buch. Ich fasse das mal so zusammen: 

Herr M., ein 50-jähriger Busfahrer, leidet seit Jahren an einem Ekzem am Oberkörper. Nachdem er verschiedene Medikamente von verschiedenen Ärzten verschrieben bekommen hat, ohne dauerhafte Besserung zu erfahren, wird eine Ursachenforschung durchgeführt. Es stellt sich heraus, dass die Bakteriengesellschaft in seinem Darm gestört ist, was zu einer Entzündungsreaktion im Körper führt und sich auch auf der Haut zeigt. Diese Störung des Darmmikrobioms hat Auswirkungen auf seinen Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Gewichtszunahme, Schlafstörungen und depressive Zustände.

Herr M. versteht die Zusammenhänge und entscheidet sich, seine Ernährung umzustellen und Probiotika einzunehmen, um das Gleichgewicht der Darmbakterien wiederherzustellen. Dadurch kann er passiv an Gewicht verlieren. Nach einem Jahr normalisieren sich sein Cholesterin, Blutdruck und Blutzuckerspiegel, er kann wieder gut schlafen, die Bauchschmerzen und der Ausschlag verschwinden. Da er bei Fernreisen immer noch depressive Zustände erlebt, wechselt er zu einem Busunternehmen, das Tagesreisen anbietet. Mittlerweile benötigt Herr M. keine Medikamente mehr.

Was sagt uns dieses Beispiel?

Herr M. hat enorm von wenigen Maßnahmen profitiert. Es begann damit, dass er seinen Job gewechselt hat, da der damit verbundene Stress seine Darm-Hirn-Achse und seinen Vagusnerv stark belastet hat. Durch die Korrektur dieser Stressfaktoren und natürlich die Ernährungsumstellung verbesserte sich auch die mikrobielle Situation in seinem Darm.

Das Mikrobiom und unser Immunsystem hängen also eng zusammen. Welche Leistungen kann der Darm denn für unser Immunsystem übernehmen? 

Darf ich an anderer Stelle beginnen? Wenn ich meine Patient:innen frage, wo sie das Immunsystem verorten, haben die meisten nur eine vage Vorstellung, dass die Haut und die Rachenmandeln eine Rolle spielen. Doch tatsächlich übernimmt das darmassoziierte Immunsystem den größten Teil des Immunsystems: etwa 80-90 %. Der Darm stellt eine immense innere Grenzfläche dar, der wir alles, was wir oral aufnehmen, aussetzen. Das Mikrobiom im Darm ist damit konfrontiert und muss eine enorme „erkennungsdienstliche“ Auf-
gabe übernehmen.

Viele sind überrascht und können es kaum glauben, dass der größte Teil des Immunsystems tatsächlich im Darm verortet ist. Doch wenn man bedenkt, wie viele Krankheiten mit einem geschwächten Immunsystem einhergehen – sei es Autoimmunerkrankungen oder Allergien – wird deutlich, dass der Darm eine wichtige Schnittstelle und der Ursprung aller Immunkompetenz ist.

Es gibt zahlreiche Sprichwörter zum Thema Darm. Hippokrates, Paracelsus, andere große Ärzte des Mittelalters und des Orients haben Bonmots zur Darmgesundheit und ihrer Bedeutung hinterlassen. Es ist erstaunlich, dass die Bedeutung des Darms erst spät erkannt wurde. Besser spät als nie.

Schauen wir uns das Mikrobiom einmal näher an. Wie trainiert sich das Mikrobiota?

Im Darm findet eine Art Training statt, bei dem die einzelnen Immunzellen ihre Ausbildung und Prägung erhalten, um gezielt eingesetzt werden zu können. Später schickt das Immunsystem sie gezielt los, wenn eine bestimmte Situation eintritt, z.B. wenn ein bestimmter Erreger eintrifft oder wenn die Schleimhaut geschädigt wird. Das sekretorische IgA, ein wichtiges Molekül ähnlich dem Immunglobulin A, beteiligt sich am Schutz der Schleimhaut und ist Teil des adaptiven Immunsystems. Wenn Unruhe im System herrscht, werden die entsprechenden „Truppen“ mobilisiert.

Wenn wir ungesund leben und uns nicht richtig ernähren, gerät das Gleichgewicht aus den Fugen. Die schlechten Bakterien überwiegen dann, während die guten Bakterien absterben. Dies kann zum sogenannten Leaky Gut Syndrom führen. Was passiert da genau?

Im Darm gibt es verschiedene Gruppen von Bakterien, die als geschlossene Funktionseinheiten betrachtet werden können, ähnlich wie Abteilungen in einem Unternehmen. Innerhalb dieser Abteilungen gibt es Kollegen, die gut miteinander arbeiten, aber auch Abteilungen, in denen Mobbing herrscht. Ähnlich verhält es sich mit einem gesunden Mikrobiom im Darm. Wenn du dich einseitig ernährst, kann es symbolisch bedeuten, dass Mitarbeiter:innen in deiner „Firma Darm“ reihenweise kündigen, die du eigentlich dringend brauchst. Denn nicht jedes einzelne Darmbakterium hat eine spezifische Aufgabe oder ist auf ein bestimmtes Substrat spezialisiert, sondern sie arbeiten zusammen in einem Coworking Space, um es neudeutsch auszudrücken. Sie interagieren miteinander und die Ausscheidungsprodukte eines Bakteriums dienen als Substrat für andere Bakterien. So arbeiten sie eng miteinander verzahnt.

Wenn also durch deine Ernährung einzelne gute Bakterien verschwinden, wird es für die verbleibenden schwierig, ihre Stoffwechselleistung zu erbringen. Zum Beispiel die Synthese bestimmter B-Vitamine, die von den Darmbakterien durchgeführt wird, oder die Isolation bestimmter Mikronährstoffe aus der Nahrung. Je weniger Bakterien du hast, desto weniger effizient kann dieser Prozess ablaufen. Es ist daher wichtig, eine angemessene Vielfalt an Bakterien im Darm zu haben. Vielfalt allein reicht jedoch nicht aus. Die Bakterien müssen auch aktiv sein und gefordert werden. Die Biodiversität im Darm nimmt ab, je unausgewogener deine Ernährung ist. Irgendwann kommt es zu dem Punkt, an dem die Bakterien, die für die Integrität der Darmschleimhaut zuständig sind, abnehmen. Diese Bakterien ernähren sich vom Schleim und bilden bestimmte Substrate für andere Bakterien. Dadurch nimmt auch der Reiz oder Impuls der Schleimhautzellen im Darm ab, neuen Schleim zu produzieren. Irgendwann wird der Darm trocken.

Und das ist dann der Moment, wo das sogenannte Leaky Gut Syndrom eingetreten ist?

Es kann sein, dass das Fass durch bestimmte Gift- oder Zusatzstoffen in deiner Nahrung übergelaufen ist. Möglicherweise hast du eine allergische oder autoimmune Prädisposition, die nun zum Ausbruch gekommen ist. Es könnte auch sein, dass die Biodiversität im Darm aufgrund einer unausgewogenen Ernährung so stark abgenommen hat, dass dies diese Situation begünstigt hat. Wenn die Darmschleimhaut austrocknet, können lokale Entzündungsprozesse auftreten und Substanzen, die eigentlich ausgeschieden werden sollten, gelangen wieder in den Kreislauf. Dadurch entsteht ein entzündlicher Kreislauf, der sich selbst aufrechterhält und komplexe Organsysteme beeinflussen kann. Dies kann das Herz, die Leber und das gesamte Immunsystem belasten. Und es begünstigt die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen und kann auch zu Krankheiten wie Parkinson oder Rheuma führen.

Stell mir doch bitte einmal die freundlichen und weniger freundlichen Mitarbeiter aus meiner „Firma Darm“ vor. 

Klar! Ständiger Trainingspartner für das Immunsystem ist die immunmodulierende Mikrobiota.Diese Mitarbeiter sind im Innen- und im Außendienst eingesetzt. Sie kämpfen gegen Eindringlinge von außen, die die Firma ausspionieren und sabotieren wollen. Sie schulen aber auch Bakterien im Außeneinsatz wie in der Nase, im Mund, in der Lunge, im Magen oder in der Blase.

Dann gibt es die protektive Mikrobiota, deren Abteilung wie der Bundesgrenzschutz oder die Polizei arbeitet. Die Mitarbeiter verhindern eine Ansiedlung unerwünschter und schädlicher Erreger.

Die Mitarbeiter, die zur mukonutritiven Mikrobiota gehören, arbeiten wie Landwirte und Köche. Sie ernähren die Darmschleimhaut mit Buttersäure, bauen überalterten Schleim ab und neuen Schleim auf, der auf die Darmzellen wie ein Energieriegel wirkt. Dadurch wird die Darmschleimhaut kräftig und robust.

Die ballaststoffabbauende Mikrobiota arbeitet eng mit der mukonutritiven zusammen. Hier ist man spezialisiert darauf, komplexe Kohlenhydrate wie Vollkornprodukte, Nüsse, Hülsenfrüchte, aber auch Äpfel und Birnen, Zwiebeln, Kohl und Bohnen aufzuknacken. Damit sorgen sie für die gesundheitsfördernde Wirkung der Ballaststoffe. 

Und dann gibt es auch noch eine Abteilung mit ziemlich merkwürdigen Mitarbeitern. Die proteolytische Mikrobiota spaltet Eiweiße, die in untere Darmabschnitte geraten sind, und bilden zum Teil Stoffwechselprodukte, die die Verdauung stören und in Verdacht stehen, Krebs hervorzurufen. Für das Gesamtwohl der Firma sollt diese Abteilung eher klein gehalten werden.

Damit die Zusammenarbeit zwischen Darm und Hirn funktioniert, gibt es das neuroaktive Mikrobiota. Sie arbeiten per WLAN. In dieser Abteilung wird auch die Aminosäure GABA produziert, die das Immunsystem unterstützt und Schmerzen im Bauch lindert.

Wie würde man das exakter oder wissenschaftlicher beschreiben?

In jeder Funktionseinheit des Darms gibt es bestimmte Bakterien, die als Leitkeime oder Keystone-Arten bezeichnet werden können. Diese Leitkeime sind vergleichbar mit dem Schlussstein eines Torbogens. Sie halten das System zusammen und sorgen dafür, dass nichts zusammenbricht. Beispiele für solche normalen Schutz-Bakterien sind Lactobazillen und Bifidobakterien, die man beispielsweise aus bulgarischem Joghurt oder fermentierten Lebensmitteln wie Kombucha, Kimchi, Natto oder Sauerkraut kennt. Es gibt auch Nahrungsergänzungsmittel, die diese Bakterienstämme enthalten.

Einige Präparate enthalten nur ein oder zwei Stämme, meistens Bifidobacterium bifidum und Lactobacillus acidophilus. Es gibt jedoch noch viele weitere Stämme aus diesen Familien, die ebenfalls gesundheitsfördernd sind. In bestimmten Krankheitsbildern werden nur zwei Stämme verwendet, während es in anderen Fällen sinnvoller ist, mit einer größeren Diversität vorzugehen. – Das sind die Schutzschildbakterien. 

Es gibt auch eine große Familie von Bakterien, die die Darmschleimhaut schützen. Zwei wichtige Leitkeime in dieser Familie sind Bifidobacterium adolescentis und Akkermansia muciniphila. Es ist wichtig, dass eine Stuhl-Diagnostik diese beiden Bakterien analysiert, da sie Aufschluss darüber geben, wie es um deine Darmschleimhaut bestellt ist. Sie zeigen, ob ausreichend Schleim produziert wird und ob genügend Produzenten von Buttersäure im Darm vorhanden sind. Buttersäure ist eine entscheidende kurzzeitige Fettsäure, die für die Integrität der Darmschleimhaut wichtig ist. Diese Buttersäure wird von den Bakterien selbst produziert.

Kann man Buttersäure als Nahrungsergänzung zufügen?

Ja, es ist möglich, Buttersäure als Nahrungsergänzung zuzufügen. Es gibt Präparate auf dem Markt, die Buttersäure enthalten und als Ergänzung zur Unterstützung der Darmgesundheit angeboten werden. Ein Beispiel dafür ist die Firma Body Bio in England. 

Es gibt jedoch auch andere Bakterien, die im Darm vorkommen und die wir nicht wollen, wie zum Beispiel Campylobacter und pathogene Kolibakterien. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Kolibakterien schlecht sind. Es gibt auch physiologische Escherichia coli-Stämme, die für die Integrität des Immunsystems von großer Bedeutung sind. Diese Stämme sind wichtig für die Produktion von IgA (Immunoglobulin A) in der Darmschleimhaut und anderen wichtigen Prozessen. 

Es ist bekannt, dass durch die Ernährung das Mikrobiom im Darm sowohl beeinträchtigt als auch wieder aufgebaut werden kann. Es gibt auch sogenannte Körperachsen, die mit dem Darm verbunden sind. Welche Achsen sind das genau und was bewirken sie?

Ja, es gibt verschiedene Achsen, die mit dem Darm in Verbindung stehen. Eine davon ist die Darm-Hirn-Achse, bei der der Vagus-Nerv eine wichtige Rolle spielt. Außerdem gibt es die Darm-Leber-Achse, bei der bestimmte Darmbakterien und Stoffwechselprodukte die Aktivität der Leber und die Entgiftung beeinflussen. Das darm-assoziierte Immunsystem hat eine Verbindung zum Herzen, über eine noch nicht vollständig erforschte Leitsubstanz namens TMO. In den nächsten Monaten werden voraussichtlich weitere Publikationen und Erkenntnisse dazu erwartet. Zudem besteht eine konkrete Verbindung zwischen der Mikrobiota im Darm und der Haut, also die sogenannte Darm-Haut-Achse.

Über diese Achsen, die zwar keine physischen Strukturen wie Blutgefäße oder Nerven sind, aber dennoch existieren, können wir die Zusammenhänge sehr gut verstehen. Durch die Korrektur der Ernährung in Kombination mit einer mikrobiologischen Therapie können wir die Gesundheit des Herzens und der Organe fördern.

Um herauszufinden, wie es um das eigene Mikrobiom steht, können Laboruntersuchungen durchgeführt werden. Wäre es nicht sinnvoll, solche Untersuchungen wie andere Routineuntersuchungen alle zwei Jahre oder so durchzuführen, um mögliche gesundheitliche Probleme frühzeitig zu erkennen?

Es ist ein verständlicher Wunsch, Laboruntersuchungen zum Mikrobiom als Routineuntersuchungen durchzuführen. Im Moment sind solche Untersuchungen jedoch nicht in den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen enthalten. Es gibt bestimmte Tests, wie den Test auf okkultes Blut oder Untersuchungen auf pathologische Keime bei chronischen Durchfällen, die von den Krankenversicherungen übernommen werden. Wenn man eine Stuhlprobe beim Hausarzt abgibt, handelt es sich in der Regel jedoch nur um einen Test auf pathologische Keime, für den keine zusätzlichen Kosten anfallen.

Für präventivmedizinische Aspekte interessiert uns natürlich, wie es um die guten Darmbakterien steht. Im Moment ist es jedoch unwahrscheinlich, dass solche Untersuchungen von den Krankenversicherungen übernommen werden. Einige Labore versuchen, Apotheken in ihre Vermarktung einzubeziehen. Im Moment sind solche Diagnoseverfahren in der Regel Selbstzahlerleistungen (80 bis 350 €)
oder werden nur von privaten Krankenversicherungen erstattet.

In meinem Fall kostet eine solche Diagnose nur noch etwa 150 €, da ich aufgrund meiner gezielten Anamnese weiß, wonach ich suchen muss oder welche Laboruntersuchungen ich beauftragen muss. Für mich ist ein Stuhlbefund wie ein offenes Buch.

Wenn die schlechten Bakterien überhand nehmen und die anderen alle „ausgezogen sind oder gekündigt haben“, was kann oder sollte ich dann tun?

Es gibt Erste-Hilfe-Maßnahmen, um mit einer Situation wie dem Leaky-Gut-Syndrom umzugehen. Beim Leaky-Gut-Syndrom ist es häufig der Fall, dass sich im Darm viele schädliche Bakterien angesiedelt haben, die andere Bakterien verdrängt und quasi ausgestoßen haben. Leider sind es genau diese proteolytischen Keime, die wir nicht wollen. Sie sind auch diejenigen, die sich nach einer Antibiotikabehandlung am schnellsten wieder ansiedeln können. Antibiotika bekämpfen nicht nur die schlechten Bakterien, sondern alle. Danach ist es wirklich schwierig, das Mikrobiom wieder in einigermaßen gesunde Verhältnisse zu bringen. Es gelingt selten, insbesondere bei Menschen, deren Blinddarm entfernt wurde. Der Blinddarm gilt mittlerweile als ein immunologisch äußerst wichtiges Organ. Früher bestand die Gefahr von Rota-, Noro-, Cholera- und Ruhrviren, heute ist das größte Risiko, Antibiotika einnehmen zu müssen. 

Bakterien produzieren Toxine. Das heißt, wir sollten auch im ersten Schritt diese Toxine binden – mit Heilerde beispielsweise. Parallel dazu müssen wir aber das Entzündungsgeschehen beruhigen. 

Was sollte man zu sich nehmen, um das Milieu wieder in Ordnung zu bringen? Was ist deine Top ten, um es gar nicht erst soweit kommen zu lassen?

Möglichst viele komplexe Ballaststoffe in der Nahrung. Aber bevor diese Ballaststoffe in den Lebensmitteln nützlich werden können, musst du erst die schlechten Darmbakterien vertreiben. Wenn du also wirklich ein gesundes Mikrobiom haben möchtest, benötigst du nicht nur gute, supertolle Nahrung wie grünes Gemüse, Hülsenfrüchte wie Kichererbsen und Pilze, sondern auch Bakterien, die mit diesen Substraten umgehen können.

Wenn du beispielsweise in Berlin lebst und deine Grundnahrungsmittel aus Döner und Bubble Tea bestehen, mag das nicht das Schlechteste sein. Aber du solltest darauf achten, dass die Qualität des Weißbrots und der Zutaten im Döner-Laden stimmt. Ich weiß, dass der Dönerfladen immer schön mit schwarzem und weißem Sesam bestreut ist. Übrigens, der schwarze Sesam ist kein Sesam, sondern eine ganz tolle Gewürzpflanze namens Schwarzer Kümmel, mit dem man viele Gerichte aufwerten kann.

Ein weiteres Gewürz, das zu meinen Top Ten gehört, ist Kreuzkümmel. Wichtig sind auch aktive Gewürze wie Ingwer und Kurkuma. Grüne Kräuter spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, um ein bestimmtes Milieu im Darm zu schaffen. Natürlich sind nicht alle Geschmäcker gleich, aber wenn du Koriandergrün oder Petersilie magst, dann verwende sie großzügig. Zum Beispiel wird Petersilie in der orientalischen Küche nicht nur als Gewürzkraut betrachtet, sondern als Gemüse. Du kennst vielleicht Spinat-Börek oder Börek, die komplett mit Petersilie gefüllt sind. Wichtig ist nur, dass das Grün nicht nur als Alibistreuung über dein fertiges Gericht dient.

Ein gesundes Mikrobiom zu pflegen, erfordert also nicht nur die richtige Ernährung, sondern auch die richtige Auswahl an Gewürzen und Kräutern. Mit dieser ganzheitlichen Herangehensweise kannst du die Gesundheit deines Darms unterstützen und einen positiven Einfluss auf dein Wohlbefinden nehmen. Also los, probiere neue Geschmackserlebnisse aus und lass dein Mikrobiom aufblühen!

Sumach ist ein klassisches türkisches Gewürz, das aus dem Blütenstand des Essigbaums gewonnen wird. Es hat nicht nur einen tollen Geschmack, sondern enthält auch wertvolle Antioxidantien. Antioxidantien sind sehr wichtig für unsere Ernährung und kommen vor allem in Früchten und Gewürzen vor. Dunkle Beeren und Früchte sind besonders reich an diesen gesunden Stoffen. Ebenso sind dunkle getrocknete Bohnen, die man einweichen und im Dampfkochtopf schnell weichkochen kann, eine hervorragende Proteinquelle.

Es ist auch ratsam, den Konsum von Brot zu überdenken. Eine Mahlzeit mit Brot pro Tag sollte ausreichen. Vor allem nicht morgens Brötchen, abends Abendbrot und mittags Nudeln. Es ist wichtig, Alternativen im Getreidebereich zu finden. Für ein leckeres Müsli am Morgen eignen sich zum Beispiel Nüsse oder Knöterichgewächse wie Amaranth, Quinoa oder Buchweizenflocken.

Indem wir unsere Ernährung mit gesunden Gewürzen und Getreidealternativen bereichern, können wir unser Mikrobiom unterstützen und damit unsere allgemeine Gesundheit verbessern. Also sei experimentierfreudig und probiere neue Geschmackskombinationen aus, um deinem Körper die Nährstoffe zu geben, die er braucht. 

Wenn es um Getreide geht, ist es wichtig, Vielfalt in deine Ernährung zu bringen. Verlasse dich nicht nur auf Weizen, sondern probiere auch Roggen, Gerste, Hafer und Reis aus. Grünes Gemüse sollte einen hohen Stellenwert in deiner Ernährung haben und nicht nur als Dekoration auf dem Teller dienen. Du kannst zum Beispiel einen ganzen Brokkoli-Kopf als Hauptgericht genießen. Wenn du kein Veganer bist, kannst du ihn mit einer kleinen Portion Forelle oder Saibling kombinieren. Diese Fischarten können ohne den Einsatz von Antibiotika gezüchtet werden und vermeiden somit ethische und gesundheitliche Probleme, die mit dem Verzehr von Fleisch einhergehen können.

Wie viele meiner Top Ten Tipps habe ich jetzt schon abgedeckt? (lacht) Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass du ausreichend Flüssigkeit zu dir nimmst und deine Getränke möglichst zuckerfrei sind. Wasser ist dabei die beste Wahl. Du kannst es gerne mit natürlichen Geschmacksrichtungen wie Zitrone oder Gurke aufpeppen, aber vermeide künstliche Aromen. Gefiltertes Wasser kann eine gute Option sein, da es den Vorteil hat, Verunreinigungen zu reduzieren und eine gute energetische und reinigende Wirkung zu haben.

Es ist auch ratsam, regelmäßig eine Entgiftungskur durchzuführen, um Toxine aus dem Darm zu entfernen und entzündliche Prozesse zu reduzieren. Eine Möglichkeit dazu ist der Verzehr von Algen, die in der Lage sind, Toxine zu binden. Algen wie Spirulina, Nori und Wakame sind nicht nur bei Veganern beliebt, sondern auch bei vielen anderen Gesundheitsbewussten.

Indem du diese Tipps in deine Ernährung integrierst, kannst du dein Mikrobiom unterstützen und deine Gesundheit verbessern. Also sei experimentierfreudig, die dein Wohlbefin-
den steigern werden.

Wie könnte ein perfekter Tag ernährungstechnisch aussehen?

Ein perfekter Tag beginnt mit einem Glas Zitronenwasser, um den Stoffwechsel anzukurbeln. Danach kannst du ein Getränk mit effektiven Mikroorganismen wie EM-Lösung oder Kombucha genießen. 

Für das Frühstück empfiehlt sich ein Porridge mit eingeweichtem Hafer, dazu Kakao-Chips, dunkle Beeren und eventuell ein klein geschnittener Apfel. Statt Milch kannst du Kokos-, Mandel- oder Hafermilch verwenden. 

Nach vier Stunden kannst du zu deinem nächsten Gericht übergehen, das proteinreich sein sollte. Zum Beispiel Forelle, Hülsenfrüchte-Hummus oder eine kleine Portion Hähnchenbrust. Füge auch eine bunte Auswahl an Gemüse hinzu, wie zum Beispiel Paprika, Rote Beete oder Pastinaken. Ein Salat kann als Beilage dienen. Wenn du ein Dessert möchtest, kannst du ein Stück dunkle Schokolade genießen. 

Die letzte Mahlzeit des Tages sollte fettbetont sein, mit einer Portion Nüsse und Samen über einem grünen Blattgemüse wie Spinat. Du kannst es mit hochwertigem Öl wie Walnuss-, Argan-, Soja- oder Olivenöl beträufeln.

Versuche, den Zeitraum zwischen den Mahlzeiten zu strecken und nicht zwischendurch zu naschen. Dadurch kann sich deine Bauchspeicheldrüse zwischen den Mahlzeiten erholen und du entkommst der ständigen Belastung von Leber und Bauchspeicheldrüse. 

Detox-Bindemittel und bestimmte Mineralien können helfen, ebenso wie Tropfen aus dem naturheilkundlichen oder homöopathischen Bereich. Es gibt auch Präparate mit probiotischen Bakterien, die unterstützend wirken. Für eine schnelle Besserung kann man auch Buttersäure-Kapseln verwenden, die mittlerweile in Apotheken erhältlich sind.

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Von Eckard Christiani

Eckard Christiani ist ein Journalist, Kommunikationsberater und Grafikdesigner.