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Die Medienwelt 2050 – jetzt spielerisch entdecken

In ihren Zukunftsworkshops schicken Friederike Riemer aka Frida Futura und Felix M. Wieduwilt Unternehmen und Organisationen mit den nötigen Tools in die ferne Zukunft, um aktiv Zukünfte gestalten zu können. Während der Zukunftssimulationen, entwickelt in ihrem Unternehmen The Future Game 2050, lernt man relevante Einflussfaktoren und Zukunftsszenarien kennen, die Zukunfts-Klarheit schaffen. Sich in einen produktiven Zukunfts-Modus zu begeben und die Zukunft für sich zu simulieren, halten sie sowohl für einen Wettbewerbsvorteil als auch für eine große persönliche Bereicherung. In einem Zwiegespräch geben sie hier Einblick in ihre Arbeit.

Felix M. Wieduwilt im Gespräch mit Friederike Riemer aka Frida Futura

Frida und Felix, was macht ihr eigentlich bei The Future Game 2050?

Felix: Wir entwickeln Produkte für die Zukunftsgestaltung in verschiedensten Organisationen, also vordergründig Unternehmen, aber auch für Schulen, universitäre Einrichtungen oder NGOs. Wenn wir über Zukunftsgestaltung reden, dann geht es uns immer darum, Menschen unterstützen zu wollen, die unsichere, offene Zukunft zu gestalten, um sich darin besser zurechtzufinden.

Frida: Wir sind der Meinung, dass man nicht so einfach sagen kann, wie die Zukunft wirklich wird. Aber wir können Orientierung geben und Menschen in gewisser Weise aufklären. Wir können ihnen Tools an die Hand geben, sich zurechtzufinden und dann ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen auch umzusetzen und zu gestalten.

Felix: Und für diese Gestaltungsarbeit haben wir verschiedene Ansätze und Produkte: Begonnen haben wir mit einem Kartenset für Workshops. Darin enthalten sind dreißig Archetypen der Zukunft, mit denen man systemisch arbeiten kann, um einen guten Startpunkt fürs Zukunftsdenken zu haben. Wir haben zuletzt entschieden, mit diesem Printprodukt ein Software-Produkt weiterzuentwickeln, weil wir gemerkt haben, dass wir durch die Coronapandemie noch flexibler und agiler sein müssen. Jetzt haben wir unser eigenes Workshop-Tool, was ausschließlich online funktioniert. An diesem Punkt haben wir dann sehr schnell gemerkt, dass man für gute Zukunftsbilder unbedingt einen strategischen Weg braucht, um diese wirklich nutzen zu können, weil sie sonst im Sande verlaufen. Also haben wir dafür ebenfalls eine Software entwickelt, um Organisationen zu helfen, ihr Wissen und ihre Vision digital aufbereiten und visuell einfach zugänglich zu machen. Ganz schön viel, was wir da in den letzten eineinhalb Jahren gemacht haben. 

Frida: Ja, das stimmt! Vielleicht gehen wir nochmal einen Schritt weiter zum Ursprung zurück. Wieso haben wir überhaupt mit dieser Arbeit angefangen? Ich erinnere mich an gemeinsame Workshops, in denen wir Manager*innen nach der Zukunft gefragt haben. Die Befragten waren erstaunlich orientierungslos und wussten nicht, wie oder was sie antworten sollten. Zu diesem Zeitpunkt erkannten wir, was sich für eine gähnende Leere auftut, wenn man nach einer weiter entfernten Zukunft fragt. Ich glaube, in dieses Vakuum haben wir uns letztendlich eingearbeitet. Wir haben gemerkt, dass wir beide große Fans von inspirierenden Zukunfts-Geschichten sind. In ihnen haben wir dann einen Weg gesehen, dieses Vakuum gewinnbringend zu füllen. Wir haben erkannt, dass wir Geschichten brauchen, um Menschen in die Zukunft mitzunehmen. Das finde ich bei uns immer noch am spannendsten, dass wir eben nicht mit komplexen Algorithmen und riesigen Trend-Reports um die Ecke kommen, sondern das Wagnis eingegangen sind, Menschen auch emotional abzuholen, damit sie bei relevanten Zukunftsthemen ihre eigene Haltung entwickeln können.

Felix: Ja, genau, und um diese eigene Haltung zu finden, ist es sehr sinnstiftend, erst einmal etwas vorzugeben, an dem man sich abarbeiten kann: Das sind unsere Zukunftsbilder in Form von sogenannten Personas. Wir haben zum Beispiel so ikonische Rollen wie die Bienenzählerin oder die KI-Aufseherin, aber eben auch die Lehrerin und die Ärztin, die es heute gibt und auch in Zukunft noch geben wird. Diese Zugänge schaffen gemeinsame Anker und Startpunkte, weil wir, wenn wir in der Zukunft agieren und diese simulieren, komplett im Unbekannten tasten. Menschen brauchen aber Orientierung, genau so als wenn sie in einem fremden Land ankommen und zunächst nicht wissen, wie alles funktioniert und wie man die fremden Schriftzeichen liest. Da braucht jede*r Hilfe.

Frida: Und wir bieten dann sowas wie einen Reiseführer?

Felix: Ja, das trifft es sehr gut. Wir bieten einen Guide, der dich abholt und dich erstmal ankommen lässt. Also haben wir quasi sowas wie einen Reiseführer für unterschiedliche Zukünfte geschaffen. Jede Zukunftspersona wiederum ist auch ein Reiseführer für sich. Die kann man natürlich mit allen anderen kombinieren. So erhält man seine individuelle Zukunftswelt. In der kann man dann weiter agieren, Stresstests für Produkte und Services durchführen und natürlich ganz viele neue Ideen entdecken. Wir schaffen einen sicheren Denkraum, in dem man sich austoben kann. 

Frida: Das wird dadurch noch verstärkt, dass man in unsere Personas reinschlüpft.

Felix: Genau. Du agierst damit wie in einem Theater und bist einfach mal eine andere Person aus der Zukunft. Man kennt das aus dem Marketingbereich, in dem man versucht, Zielgruppen zu beschreiben. Als Marketingbeauftragte*r ist man nur ganz selten selbst Teil der Zielgruppe. Bei uns bist du immer Teil die Zielgruppe.

Frida: Bei uns darf man sich als Mondpräsidentin oder Therapeutin für Herzintelligenz in die Zukunft denken. Das funktioniert dann so wie bei einer Matrjoschka: Ich schlüpfe in eine Rolle, betrete einen Denkraum und erschaffe gemeinsam mit anderen Rollen ein weiteres Zukunftsbild (für strategische Ziele von Organisationen). Dafür entnehmen wir auch sehr viel aus der Theorie und Praxis des Spielens. Man sagt, Spielen sei die höchste Form des Menschseins. Man könne sich ausprobieren – alles aber in einem vorbestimmten Rahmen und mit gewissen Regeln, an denen man sich zu orientieren hat. Aber das ist genau der Schutz, der es uns erlaubt, verrückt zu sein. Und ich glaube, das ist genau das, was unsere Arbeit stark auszeichnet, nämlich dass sie diesen Schutzraum für alle schafft. So transferieren sich die Proband*innen in einen Zukunfts-Modus. Ich denke, immer wenn wir mit der Frage konfrontiert sind, was wir uns eigentlich wünschen, dann löst sie in uns erst einmal Stress aus, weil wir die Frage zunächst nicht exakt beantworten können. Sie verunsichert uns.

Wir haben für dieses Buch zwei Zukunfts-Personas entwickelt: Die Wissens-Allokateurin (siehe Illustration Seite 84) ist nicht nur absoluter Suchmaschinen-Profi, sondern hat auch ein Händchen für nicht digitalisierte Quellen und Zugang zu internationalen Expert*innen, um implizites Wissen aus ihnen rauszuholen. Ihr Profil ist vergleichbar mit einer Top-Detektivin. Je mehr ihre Kunden bereit sind zu zahlen, desto umfangreicher wird ihre Recherche. Weniger kostet da der Zugriff auf ihre eigene verifizierte Datenbank. Jede Wissens-Allokateurin hat ihr Spezialgebiet und doch gibt es Konkurrenz, um die lukrativsten Aufträge. Trotzdem arbeiten Wissens-Allokateurinnen auch viel zusammen, denn das beste Wissen gibt es nur im Team. 

Die zweite Zukunftspersona ist Die Post-Mortem Beraterin (siehe Illus-
tration Seite 89)
. Daten sind ein wertvolles soziales Erbe und beim Staat und bei Unternehmen extrem begehrt. Die Post-Mortem Beraterin zeigt verschiedene Möglichkeiten im Umgang mit den Daten auf: Von der kompletten Löschung bis zu einer von KIs erstellten Hologramm-Version der Person, mit der weiterhin gesprochen werden kann, ist alles möglich. Je mehr Daten der / die Kund*in freigibt, desto mehr können seine / ihre Hinterbliebenen auch finanziell profitieren. Die Post-Mortem Beraterin arbeitet jedoch unabhängig und geht auf die unterschiedlichsten Wünsche ein. 

Felix, gib doch mal einen Einblick, wie so eine Rolle entsteht und was sie eigentlich ausmacht.

Felix: Es geht immer darum, eine Vielzahl an Informationen so zu bearbeiten, dass sie zu einem inspirierenden Zukunftsbild werden. Die Fakten müssen – wie eine Figur aus einem Film oder Buch – zum Leben erweckt werden. Wir hauchen den Informationen Leben ein und entwickeln drumherum eine emotionale, greifbare Geschichte. Dadurch erscheinen die Informationen in einem ganz anderen Gewand, nämlich nicht mehr in Form eines Fakten-Texts, eines Reports oder eines Diagramms, sondern in Form einer zugänglichen Geschichte. Ich denke, das ist der Kern unseres Konzeptes. Wissen in Form einer Persona hilft überdies, andere zu informieren, anstatt sie mit Fakten zu erschlagen. 

Frida: Für mich ist das eine Art Zukunft der Informationen, weil ich durch Bilder und Geschichten Fakten und Themen so kondensiert aufbereiten kann, dass sie mir plausibler erscheinen und ich mich mehr für sie interessiere. Gleichzeitig ist es wie eine Rückkehr zur mündlichen Weitergabe von Wissen. Bevor es Schriftzeichen gab, saß man Lagerfeuer und hat sich ebenfalls Geschichten erzählt. Natürlich, um sich zu amüsieren, aber auch, um Wissen weiterzugeben.

Felix: Storytelling mit Personas ist also unsere Grundlage. Das muss sehr gut entwickelt werden. Unser Team besteht im Kern nur aus uns beiden. Wie schaffen wir all das bloß?

Frida: Gut, dass Du das fragst. Manchmal bin ich von mir selbst erstaunt. Aber in der heute weltweit vernetzten Welt ist so vieles möglich. Ich denke, zuallererst liegt es an unserem Mindset: Wir sind für alles offen, und deshalb ist auch alles möglich. Wir diskutieren jede Idee und prüfen sie sofort auf Machbarkeit. Dabei gibt es zahlreiche Portale, in denen Freelancer ihre Arbeit günstig anbieten. Gerade zu Beginn – in der Prototypen-Phase – können wir uns die kostspielige Arbeit von Designer*innen oder Entwickler*innen aus Deutschland nicht leisten. Das Risiko wäre zu groß. Wenn es dann aber konkret wird und sich Geschäfts-Potentiale abzeichnen, greifen wir auf unser Freelancer-Netzwerk aus DACH zurück. Beides benötigt Vertrauen in den Anderen. Und das ist neben dem Mindset auch Punkt zwei: Unser Vertrauen in Andere ist groß, die Zusammenarbeit mit uns sehr transparent. 

Felix: Ja, Vertrauen schafft einen guten Nährboden für ein verlässliches Netzwerk. Egal, ob in Asien oder Deutschland. Sobald wir Vertrauen geben und nett sind, bekommen wir sehr viel gute Arbeit zurück. Das macht natürlich Spaß! Gerade das Arbeiten Menschen aus anderen Kulturkreisen wie zum Beispiel Asien hat zwei Vorteile: Erstens sind die Freelancer dort nicht mit unserer Mentalität vorbelastet und zweitens haben sie oft in der Design-Sprache einen anderen Geschmack. So punkten wir oft mit positiven Überraschungen im Endergebnis. Manchmal geht das natürlich auch mal schief. (lacht)

Frida: Ja, und dank Cloud-Software und mobilem Internet ist es auch fast egal, mit wem wir arbeiten. Jeder ist uns theoretisch nah, wenn wir wollen.

Felix: Genau das! Wir haben das Büro in der Tasche. Was mich noch begeistert, ist, dass wir da draußen wirklich jeden Service vorfinden, um gute und zukunftsfähige Projekte zu entwickeln. Ob Übersetzung, Wire-frames, Logo-Entwicklung, Software-Prototyp oder Designer*innen – die ganze Welt scheint sich in eine Agentur verwandelt zu haben. Ich finde das mehr als positiv, weil wirklich jeder die Möglichkeit hat, selbstbestimmt die Zukunft zu gestalten. Jeder kann seine Fähigkeit zur Verfügung stellen.

Vielen Dank euch beiden für die Zukunftspersonas in der Medienwelt und natürlich auch für euer Zwiegespräch!

Das Gespräch ist aus Band 2, erschienen Anfang August 2021.

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Von Eckard Christiani

Eckard Christiani ist ein Journalist, Kommunikationsberater und Grafikdesigner.