Der Klimawandel macht sich allenthalben bemerkbar. Wetterextreme gehören zur neuen Normalität. Kann der Mensch unter diesen Bedingungen existieren? Wir fragten die Umweltmedizinerin Prof. Traidl-Hoffmann, was zu tun ist.
Der Mensch funktioniert nur bei einer Körpertemperatur von zwischen 36 und 37,5 Grad gut. Wie reguliert der Körper seine Temperatur und was hat das mit dem Klimawandel zu tun?
Unser Körper ist perfekt darauf ausgerichtet, seine Temperatur im Gleichgewicht zu halten, und er verfügt über ein komplexes System, um dies zu erreichen. Unter normalen Umständen, bei angenehmen Raumtemperaturen um die 23°-24° Grad Celsius funktioniert dieses System einwandfrei. Doch wenn es draußen zu warm wird, gerät der Körper in Schwierigkeiten, denn seine Hauptaufgabe besteht darin, seine Temperatur im Gleichgewicht zu halten. Andere wichtige Prozesse werden vernachlässigt und es kann passieren, dass bereits kranke Menschen noch kränker werden oder dass gesunde Menschen plötzlich erkranken oder sogar sterben. Die Hitze an sich ist also nicht direkt lebensbedrohlich, sondern es sind die Auswirkungen auf den Körper, wenn er sich nicht mehr ausreichend regulieren kann.
Nun stellt sich die Frage, wie der Klimawandel damit zusammenhängt. Der Klimawandel führt dazu, dass die Temperaturen auf der Erde immer weiter steigen, nicht nur um 1,5° Grad Celsius im Durchschnitt, sondern auch in Form von häufigeren und intensiveren Hitzewellen. Wenn wir uns das Jahr 2050 vorstellen, leben sieben von zehn Menschen in Städten, die während solcher Hitzewellen noch stärker betroffen sind. In den Städten kann es während einer Hitzewelle sogar um weitere 4°-5° Grad Celsius wärmer sein. Hinzu kommt, dass die Umwelt in den Städten durch Schadstoffe und den Einsatz von fossilen Brennstoffen zusätzlich belastet wird. Diese Kombination aus Hitze, Schadstoffen, UV-Strahlung und Umweltverschmutzung kann zu einer erhöhten Gefahr für unsere Gesundheit führen.
Es ist also eine unheilvolle Allianz aus Umweltverschmutzung, Klimawandel, einer alternden Bevölkerung und einer zunehmenden Zahl von Menschen mit Übergewicht, die uns vor große Herausforderungen stellt. Die Auswirkungen dieser Faktoren auf unseren Körper und unsere Gesundheit sind besorgniserregend und erfordern dringende Maßnahmen.
Sie haben 2021 in Ihrem Buch Überhitzt geschrieben: Mehr Hitze plus mehr Stadtbewohner plus mehr Kranke plus mehr Alte ergeben in der Summe ein riesiges Gesundheitsproblem. Wie viele Tote haben wir eigentlich in Deutschland in so Hitzesommer wie 2006, 2015 oder 2019?
Das ist eine Frage, die sich nicht leicht beantworten lässt. Es gibt Schätzungen über die Anzahl der Hitzetoten, aber leider kein zuverlässiges Register, in dem diese Daten erfasst werden. In den letzten zehn Jahren wurden die Todeszahlen im Zusammenhang mit Hitze untersucht, ähnlich wie die aktuellen Corona-Todeszahlen gezählt werden. Einige Schätzungen gehen von etwa 6.000 Hitzetoten pro Jahr aus, aber ich persönlich glaube, dass diese Zahl stark unterschätzt wird. Studien wie die der Lancet Countdown zeigen deutlich höhere Zahlen. Um ein klares Bild zu bekommen, benötigen wir jedoch ein umfassendes Register, das nicht nur die Todeszahlen erfasst, sondern auch Informationen über die vorherrschende Temperatur und die Wahrscheinlichkeit, dass die Person aufgrund von Hitze, Kälte oder anderen Faktoren gestorben ist. Ein solches Hitze-Register ist dringend erforderlich, um die Auswirkungen der Hitze besser zu verstehen und geeignete Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen. Darüber hinaus benötigen wir ein verbessertes Frühwarnsystem, das individuelle Warnungen ausspricht, die auf Alter und anderen Faktoren basieren. Eine 70-jährige Person muss beispielsweise anders gewarnt werden als ein 5-jähriges Kind. Es ist unerlässlich, dass wir diese Maßnahmen ergreifen, um die Auswirkungen von Hitze besser zu verstehen und die Bevölkerung rechtzeitig zu schützen.
Die Ärztin und Epidemiologin Sabine Gabrysch meinte, bei uns in Deutschland sind Hitzewellen wahrscheinlich das momentan größte Gesundheitsrisiko. Ist Deutschland denn gut vorbereitet?
Eigentlich nicht. Im Moment arbeiten wir aktiv daran, auf meine Initiative hin. Zusammen mit Dr. Martin Herrmann und Dr. Christian Schulz vom KLUG (Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit) haben wir in Bayern eine Arbeitsgruppe zum Klimawandel und Gesundheit ins Leben gerufen. Wir haben alle relevanten Akteure, einschließlich Katastrophenschutz, Ärzte und Pflegekräfte, an einen Tisch gebracht, um gemeinsam Lösungen zu finden. Es ist jedoch ein mühsamer Prozess.
Gibt es Länder, die da besser vorbereiten sind oder die vieles besser machen?
Ein Land, das wirklich beeindruckend ist, ist Frankreich. Nach den dramatischen Ereignissen im Jahr 2003, als ähnlich tragische Szenen wie in Bergamo während der Corona-Pandemie zu sehen waren, haben die Franzosen einen fantastischen Plan entwickelt. Damals stapelten sich die Särge, da die Menschen wie die Fliegen starben. Diese schockierenden Ereignisse führten dazu, dass Frankreich einen umfassenden Plan zum Schutz von Schwangeren erstellt hat, der sehr detailliert ist. Genau das ist notwendig, denn Hitze erfordert drastische Maßnahmen. Die Franzosen haben gezeigt, wie wichtig es ist, auf solche Situationen vorbereitet zu sein und effektive Maßnahmen zu ergreifen, um das Leben der Menschen zu schützen.
Zum Beispiel?
In kleinen Orten genauso wie in großen Städten ist es von entscheidender Bedeutung, genau zu wissen, wer wo lebt und welche gesundheitlichen Probleme die Menschen haben. Insbesondere bei denjenigen, die in den oberen Stockwerken leben, besteht ein erhöhtes Risiko für Hitzeschäden. In solchen Fällen müssen wir in der Lage sein, ältere Menschen bei Hitzewellen in kühlere Räume zu evakuieren. Es ist unerlässlich, dass wir diese Evakuierungen wirklich durchführen. Auch die niedergelassenen Ärzte müssen gut vorbereitet sein, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Wir haben bereits beobachtet, wie nach Hitzewellen Patienten mit Niereninsuffizienz, Alzheimer, Demenz, Multipler Sklerose und vielen anderen chronisch entzündlichen Krankheiten schrittweise in den Notaufnahmen auftauchen. Es ist also von großer Bedeutung, Pläne zu haben, wie wir mit solchen Situationen umgehen können. Die Herausforderungen sind vielfältig und komplex. Rettungsdienste müssen geschult und vorbereitet sein, um den Anforderungen gerecht zu werden. Es wird Zeiten geben, in denen das Personal verstärkt werden muss, um eine angemessene Versorgung sicherzustellen.
Das ist die eine Seite. Kann man nicht präventiv städtebauliche Maßnahmen einleiten?
Städteplanung ist ein gewaltiger Hebel, der eine entscheidende Rolle spielt. In meinen Augen ist es sogar der größte Hebel überhaupt. Und genau deshalb haben wir vor einiger Zeit die Genehmigung für ein Graduiertenkolleg erhalten. Vielleicht sind Sie nicht über die Forschungsstrukturen in Deutschland informiert, aber die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert regelmäßig Projekte innerhalb ihres Rahmens. Ein Graduiertenkolleg ist ein solches Projekt, bei dem interdisziplinär zwischen 15 und 20 Doktoranden an einem Thema arbeiten. Unser gerade genehmigtes Graduiertenkolleg trägt den Namen Urban Green Infrastructure – also städtische grüne Infrastruktur. Es geht darum, die Stadt der Zukunft zu gestalten, und dafür arbeiten Architekten, Geografen, Mikrobiologen und Mediziner zusammen. Das Ziel ist es, die zukünftigen Denker auszubilden, damit sie die Stadt der Zukunft prägen können. Diese Stadt wird nicht nur von Politikern regiert, sondern auch von Visionären, die sich bereits jetzt mit diesem Thema auseinandersetzen.
Welche Lösungen werden da entwickelt?
Einige der Maßnahmen, die ergriffen werden können, um das Stadtklima zu verbessern, sind eigentlich recht simpel. Doch leider werden sie oft nicht konsequent umgesetzt. Das Hinzufügen von Grünflächen beispielsweise kann einen enormen Unterschied machen. Wenn ich mir gerade die Neugestaltung der Innenstadt in Freising anschaue, sehe ich nur ein paar Bäume in Kübeln stehen. Ja, es ist schön, etwas Grün zu haben, aber das allein reicht nicht aus, um die Luftqualität zu verbessern. Wir müssen auch darauf achten, dass wir keine Fehler bei der Anlage von Schneisen machen. Schließlich haben wir zunehmend mit extremen Wetterereignissen wie Tornados zu kämpfen, und da müssen wir auch an die Sicherheit denken. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir eine interdisziplinäre Herangehensweise verfolgen und die richtigen Arten von Grünflächen wählen.
Nehmen wir zum Beispiel den Potsdamer Platz, wo Birken aneinandergereiht stehen. Das ist einfach Unsinn, denn die Birke ist der am stärksten allergene Baum Deutschlands. Das bedeutet, dass ich mit diesen Bäumen Pollen in die Stadt bringe, die bei über 50 % der Bevölkerung Symptome auslösen können. Da gibt es also noch viel zu tun. Es ist entscheidend, dass wir interdisziplinär zusammenarbeiten und dass städtebauliche Planer uns Wissenschaftlern zuhören.
Kommen wir aber jetzt wieder auf das Medizinische zurück – ein bisschen detaillierter fangen wir mal vorne an: im Mutterleib. Hat die Hitze schon im Mutterleib Auswirkungen auf das Ungeborene?
Natürlich sind Schwangere besonders anfällig für die Auswirkungen von Hitze. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich selbst im Jahr 2003 schwanger war und dachte: „Wow, es ist wirklich heiß draußen!“. Glücklicherweise habe ich es gut gemeistert, wahrscheinlich auch, weil ich generell fit bin und zuvor längere Zeit in Rom gelebt hatte. Das bedeutet, dass ich mich bereits an hohe Temperaturen angepasst hatte. Ja, Schwangere sind definitiv anfällig. Aber es gibt noch weitere Auswirkungen, die wir erforschen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass Hitze mit einer erhöhten Anzahl von Frühgeburten einhergeht. Das sind die bekanntesten Auswirkungen, aber ich bin mir sicher, dass es noch viel mehr gibt, was wir erforschen müssen. Möglicherweise hat Hitze auch Auswirkungen auf Diabetes bei Schwangeren, da wir bereits den Einfluss der globalen Erwärmung auf Diabetes insgesamt sehen können.
Wie wirkt sich das aus?
Wir sehen definitiv eine Verbindung zwischen der globalen Erwärmung und einem Anstieg von Diabetes, aber bisher können wir nur von einer Assoziation sprechen und noch nicht von einer eindeutigen Kausalität. Das ist der entscheidende Punkt bei epidemiologischen Studien – von der Verbindung zur tatsächlichen Ursache und den molekularen Mechanismen zu gelangen. Im Fall von Diabetes sind wir noch nicht so weit. Es könnte auch andere begleitende Symptome geben, wie zum Beispiel eine veränderte Bewegung oder Ernährung bei Hitze. Es ist also sicherlich ein äußerst vielschichtiges und komplexes Thema, das noch viel Forschung erfordert, um ein tieferes Verständnis zu erlangen.
Wie können Babys und Kleinkinder mit der Hitze umgehen? Oder können sie es gar nicht?
Es ist wirklich erschreckend, wie oft man von schrecklichen Fällen hört, in denen Kinder in einem heißen Auto zurückgelassen werden.
Das ist wirklich der absolute Albtraum, aber leider passiert es immer wieder. Kinder sind besonders gefährdet, da ihr Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpermasse ungünstig ist und sie daher Schwierigkeiten haben, mit Hitze umzugehen. Aber es gibt noch eine andere Situation, die mir Sorgen bereitet. Im Sommer finden bei uns die Bundesjugendspiele statt, und aus Bequemlichkeit veranstalten wir sie immer im Juni oder Juli, wenn die Lehrer keine Lust mehr haben, etwas zu tun. Die Kinder werden dann auf den Sportplatz geschickt, ohne Rücksicht auf die Hitze. Das ist ein weiterer Punkt, an dem wir die Kinder unnötig gefährden. Wir müssen umdenken und die Bundesjugendspiele zum Beispiel im März abhalten, um die Klimaresilienz zu stärken. Das ist ein Begriff, den ich sehr wichtig finde. Wir brauchen diese Klimaresilienz, vor allem im Gesundheitssektor. Es geht nicht nur darum, sich anzupassen, sondern auch aktiv und flexibel auf den Klimawandel zu reagieren.
Ich habe in Ihrem Buch gelesen, dass Autohersteller in Amerika ein Warnsystem eingebaut haben, damit die Leute ihre Kinder im Auto nicht vergessen. Das fand ich unglaublich.
Aber es ist auch eine super Sache.
Okay, kommen wir mal zu den Kindern und Jugendlichen. Die haben es doch eigentlich ganz gut. Die kriegen ja schulfrei, wenn’s zu warm wird.
Es ist tatsächlich so, dass wir früher viel öfter Hitzefrei hatten. Ich gehöre zum Jahrgang der Siebziger, und bei uns war es relativ häufig, dass wir bei großer Hitze früher nach Hause gehen durften. Das war damals normal und ein großes Thema. Das war natürlich noch im letzten Jahrtausend, als es generell etwas kühler war. Aber jetzt ist es anders. Heutzutage liegt es im Ermessen des Schulleiters oder der Schulleiterin, wann die Kinder hitzefrei bekommen. Und ich weiß aus eigener Erfahrung mit meinen eigenen Kindern, dass die Klassenzimmer völlig überhitzt sind. Man hat architektonisch nicht wirklich weit gedacht, wenn es um die Belüftung und Kühlung von Schulräumen geht. Klimaanlagen in Schulen sind praktisch unbekannt. Es scheint, als ob dieses Thema bisher kaum Beachtung gefunden hat.
Es ist dringend erforderlich, dass Schulen sich anpassen, damit sich die Schülerinnen und Schüler besser konzentrieren können. Die Hitze hat tatsächlich Auswirkungen auf unsere Leistungsfähigkeit und kann sogar zu Aggressivität führen. Das ist besonders problematisch, wenn junge Menschen gerade ihre Abiturprüfungen schreiben müssen. Es ist gut möglich, dass diese Prüfungszeiten bereits in einer Zeit fallen, in der es extrem heiß sein kann. Deshalb müssen wir Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Schülerinnen und Schüler unter optimalen Bedingungen arbeiten können. Es geht nicht nur um ihre Gesundheit, sondern auch um ihre Leistungsfähigkeit und ihre Zukunftschancen.
Selbst bei gesunden Erwachsenen ist es natürlich so, dass sie an heißen Tagen an ihre Leistungsgrenzen kommen. Das betrifft nicht nur ihre körperliche, sondern auch ihre geistige Leistungsfähigkeit. Und das kann natürlich auch wirtschaftliche Auswirkungen haben.
Eckart von Hirschhausen hat es treffend formuliert: „Das Teuerste, was wir jetzt tun können, ist nichts zu tun“. Diese Aussage beruht nicht nur auf seiner Meinung, sondern auf klaren Berechnungen. Unternehmen wie Swiss Re, eine der größten Rückversicherungen weltweit, sind sich bewusst, dass der Klimawandel enorme Kosten verursacht. Sie haben berechnet, dass das Bruttoinlandsprodukt um etwa 3 bis 5 % sinken wird, wenn wir in Klimaschutz investieren. Doch wenn wir nichts unternehmen, wird der Rückgang bei 20% liegen. Das bedeutet, dass Klimaschutz zwar Geld kostet, aber Untätigkeit noch teurer ist. Als Ärztin habe ich das verstanden und hoffe, dass auch die Wirtschaftswissenschaftl:inner diese Zusammenhänge erkennen. In Augsburg haben wir ein Zentrum für Klimaresilienz gegründet, in dem Jurist:innen, Geograf:innen, Mediziner:innen, Politiker:innen und Politikwissenschaftler:innen virtuell an einem Tisch sitzen und gemeinsam an Anpassung und Klimaresilienz arbeiten. Genau das brauchen wir – eine ganzheitliche Herangehensweise, um den Herausforderungen begegnen zu können.
Wie wirkt sich das denn auf den Körper aus, wenn wir nicht nur mit Hitzewellen, sondern auch mit sintflutartigen Regenfällen, Stürmen und starken Temperaturschwankungen konfrontiert sind?
Extremwetterereignisse, wie wir sie derzeit erleben, können nicht nur zu massiven ökonomischen Schäden führen, sondern auch direkt zum Tod. Die Ereignisse im Ahrtal und die aktuellen Geschehnisse in Griechenland, Libyen oder Australien sind schmerzhafte Beispiele dafür. Diese Phänomene sind untrennbar mit dem Klimawandel verbunden. Doch die Auswirkungen gehen über materielle Schäden hinaus. Die psychische Gesundheit der Menschen leidet stark unter den Extremwetterereignissen. Die Angst vor solchen Ereignissen ist allgegenwärtig und belastet die mentale Gesundheit der Betroffenen.
Ein weiteres Phänomen, das sich während Gewittern zeigt, ist das sogenannte Gewitter-Asthma. Hierbei spielen verschiedene Mechanismen eine Rolle. Es wird angenommen, dass Pollen durch elektromagnetische Kräfte in kleinere Fraktionen zerplatzen und tiefer in die Lungen gelangen können, was zu starken Entzündungsreaktionen führt. Dies erklärt das Auftreten von Asthmaanfällen bei Menschen, die zuvor keine Anzeichen von Asthma hatten. Auch Schadstoffe scheinen hierbei eine Rolle zu spielen. Es ist ein komplexes Phänomen, an dem wir am Institut arbeiten, um es besser zu verstehen. Es ist wichtig zu betonen, dass Gewitter-Asthma auch in Deutschland vorkommt, wie Studien gezeigt haben.
Insgesamt ist die Situation hochkomplex, und es bedarf weiterer Forschung, um die Auswirkungen von Extremwetterereignissen auf den Körper und die Gesundheit der Menschen besser zu verstehen.
Und wie hängt ein Temperatursturz um fünf Grad mit einem Schlaganfall zusammen?
Sie sprechen auf unsere Publikation an, oder? In dieser Publikation haben wir verschiedene Wetterereignisse und ihre Auswirkungen auf unterschiedliche Arten von Schlaganfällen untersucht. Denn es ist wichtig zu beachten, dass es nicht nur einen einzigen Schlaganfalltyp gibt. Wir konzentrierten uns auf eine spezielle Wetterlage – trockene und heiße Luft – die sich als äußerst gefährlich erwies. Jedoch können auch starke Temperaturschwankungen andere Arten von Schlaganfällen beeinflussen oder deren Häufigkeit erhöhen.
Hierbei komme ich wieder auf meine Idee einer personalisierten Frühwarnungs-App zu sprechen. Meiner Meinung nach sollte jeder eine solche App besitzen, die idealerweise mithilfe künstlicher Intelligenz das individuelle Risiko einschätzt. Stellen Sie sich vor, die App gibt Ihnen eine Warnung: „Achtung, du bist fettleibig! Du hast übrigens bereits einen Schlaganfall einer bestimmten Art erlitten, und es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass du morgen an einem Schlaganfall sterben könntest.“ Natürlich müsste diese Warnung angemessen vermittelt werden, um einen Schock zu vermeiden und den Nutzer dazu zu ermutigen, einen Arzt aufzusuchen. Es ist zweifellos eine komplexe Aufgabe, aber sie ist machbar.
Stichwort: Personalisierte Medizin. In Ihrem Buch habe ich mit Erstaunen gelesen, dass Medikamente, die ich verschrieben kriege, bei unterschiedlichen Temperaturen natürlich auch unterschiedlich wirken. Also die Wirkung ist immer die gleiche, aber die Auswirkung ist eine andere?
Ja, aber wir haben noch relativ wenig Wissen darüber. Wir wissen noch nicht einmal, ob ein Medikament bei Frauen und Männern gleichermaßen wirkt. Geschweige denn in Bezug auf die Temperatur. Wir wissen, dass hier ein Problem besteht, aber wir sind noch nicht so weit, dass wir den Ärzt:innen sagen können: „So und so musst du jetzt damit umgehen. Bei dieser Patientin musst du so und so reagieren.“ Wir haben noch nicht alle Informationen, die wir benötigen. Es ist dringend erforderlich, dass wir das weiterhin erforschen, wenn wir mit der Pharmaindustrie und anderen Experten sprechen. Bei klinischen Studien könnte man beispielsweise untersuchen, ob es bestimmte Temperaturen, Temperaturunterschiede, Umweltfaktoren, Schad-
stoffe und geschlechtsspezifische Unterschiede gibt, die Einfluss auf die Reaktion von Patienten haben. Geschlechtsspezifische Unterschiede haben wir bereits berücksichtigt, aber es ist bedauerlich, dass Umweltaspekte in klinischen Studien oft vernachlässigt werden, obwohl sie sehr wahrscheinlich relevant sind.
Es gibt naheliegende und weniger naheliegende Krankheiten und Gesundheitsprobleme beim Klimawandel, über die man sprechen kann. Womit müssen Allergiker und Asthmatiker in Zukunft rechnen?
Mit dem Schlimmsten.
Gute Antwort. Aber das lassen wir so nicht stehen!
Also müssen wir uns jetzt genauer anschauen, was es bedeutet, ein Allergiker zu sein. Es gibt eine Vielzahl von Allergiearten. Eine davon sind die sogenannten Soforttyp-Allergien, auch bekannt als Typ-1-Allergien. Hierzu gehören Heuschnupfen, Asthma und Nesselsucht. In Deutschland und Europa werden diese Allergien hauptsächlich durch Pollen verursacht, insbesondere durch Birken – und Graspollen. Das Problem ist, dass diese Pollen aufgrund des Klimawandels verschiedene Veränderungen durchmachen.
Erstens breitet sich die Pollensaison aus, die Pollen fliegen früher und länger im Jahr. Es gibt keinen einzigen Tag mehr, an dem keine Pollen in der Luft sind. Das heißt, wir können nicht mehr von einer Pollensaison sprechen, sondern von ganzjähriger Pollenbelastung. Zweitens gibt es auch mehr Pollen pro Tag aufgrund von Schadstoffen und Temperatur. Dadurch haben wir eine höhere tägliche Pollenbelastung. Darüber hinaus sind die Pollen auch aggressiver, da sie mehr entzündungsfördernde Substanzen freisetzen. Das bedeutet, dass der einzelne Pollen noch stärkere Entzündungen auslösen kann. Und viertens haben wir auch neue Pollenarten, wie zum Beispiel Ambrosia, die schwere Asthmaanfälle verursachen können. Ambrosia ist eine neue Pflanze, die zu uns gekommen ist und nun Asthma verursacht.
Und jetzt werde ich Sie in die Tiefen der Immunologie und Allergien einführen. Sind Sie bereit? Also, das Phänomen der Kreuzallergie bedeutet, dass der Körper sich irrt. Bei einer Kreuzallergie denkt der Körper, er würde einen Beifußpollen sehen, er sieht aber tatsächlich einen Ambrosiapollen, da sie strukturell ähnlich sind. Diese Proteine ähneln sich wie Zwillinge. Wenn man also bereits auf Beifuß allergisch ist, muss man sich nicht noch zusätzlich sensibilisieren. Eigentlich dauert es Jahre, um das Immunsystem für eine allergische Reaktion scharf zu stellen. Bei Ambrosia ist das nicht mehr nötig. Personen, die bereits auf Beifuß allergisch reagieren, reagieren auch sofort auf Ambrosia. Das ist das Phänomen der Kreuzallergie. Bedauerlicherweise ist das problematisch.
Ok! Aber was kann man tun?
Eine Allergie kann durch Schulung des Immunsystems geheilt werden. Durch eine spezifische Immuntherapie kann das Immunsystem trainiert und umprogrammiert werden, so dass es nicht mehr allergisch reagiert, sondern Toleranz entwickelt. Die Toleranzinduktion durch Immuntherapie funktioniert immer besser, sei es in Form von Spritzen, Tabletten oder Tropfen. Es ist jedoch wichtig, konsequent zu sein und die Therapie über einen Zeitraum von drei Jahren durchzuführen, da dies sonst keine Wirkung zeigt.
Gehören die sublinguale Immuntherapien auch dazu?
Es gibt natürlich unterschiedliche Unternehmen, die verschiedene Präparate herstellen. Das ist das eine. Dann gibt es natürlich auch die primäre Prävention, bei der das Ziel ist, erst gar nicht krank zu werden. Das ist etwas, womit ich mich als Umweltmediziner beschäftige. Mein großes Ziel ist es, dass die Menschen erst gar nicht krank werden. Wie schaffen wir das? Wir wissen, dass die Ernährung im ersten Lebensjahr eine Rolle spielt. Je vielfältiger die Ernährung, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind eine Allergie entwickelt. Daher ist es ratsam, Kinder drei Monate lang ausschließlich zu stillen, wenn möglich. Falls nicht, ist das auch nicht schlimm. Danach sollten sie abwechslungsreich ernährt werden, wobei das Essen im Haushalt der Eltern eine Rolle spielt. Idealerweise beinhaltet die Ernährung gesunden, möglichst unbelasteten Fisch, viel Gemüse und wenig Fleisch. Auf diese Weise hat ein Kind eine geringere Wahrscheinlichkeit, eine Allergie zu entwickeln. Zusätzlich ist es am besten, wenn in der Familie Allergien bekannt sind, das Kind regelmäßig einzucremen. Das stärkt die Hautbarriere und verringert ebenfalls die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind eine Allergie entwickelt. Wir arbeiten auch an vielen anderen Präventionsstrategien. Sowohl hier als auch in der Forschung weltweit arbeiten wir daran. Die Problematik ist, dass Pharmaunternehmen langsam zu verstehen beginnen, dass man auch mit Prävention Geld verdienen kann, da letztendlich die gesamte Bevölkerung die Zielgruppe sind. Doch lange Zeit haben sie das nicht verstanden und dachten, dass man mit Prävention nichts verdienen kann, da man dann verhindert, dass jemand krank wird und man ihn nicht mehr behandeln kann. Doch langsam ändert sich diese Denkweise. Allerdings sehr langsam. Eigentlich sollten Präventionsforschung und -maßnahmen vom Staat finanziert werden, da die Krankenkassen davon profitieren, da weniger Krankheiten auftreten.
Apropos Krankheiten: Jetzt erzählen Sie mir wahrscheinlich gleich noch, dass Corona und andere Viren auch etwas mit dem Klimawandel zu tun haben?
Es stimmt. Also erst einmal geht es nicht nur um den Klimawandel, sondern um die planetare Gesundheit und das Überschreiten planetarer Grenzen. Das ist letztendlich die Hauptursache. Wenn man jetzt noch die Überbevölkerung berücksichtigt, befindet man sich genau dort, wo Humboldt schon vor mehreren hundert Jahren war – alles ist miteinander verbunden und wenn wir etwas im System ändern, beeinflussen wir automatisch alles, was darauf folgt. Obwohl Humboldt das bereits deutlich gesagt hat, hat ihm damals keiner zugehört. Daher ist es natürlich so, dass das Eingreifen in das Leben von Wildtieren dazu geführt hat, dass wir jetzt diese Viren aus der Tierwelt bei uns Menschen haben. Das war bereits bei HIV so und ist auch bei Corona der Fall. Es ist nicht das erste Corona-Virus, das eine Pandemie auslöst. Daher hat dies mit planetaren Grenzen und der planetaren Gesundheit zu tun.
Hinzu kommt Folgendes: Wir wissen, dass Menschen, die bereits übergewichtig sind, bereits vorher erkrankt sind und auch durch Umweltschadstoffe geschädigt wurden, anfälliger und zur vulnerablen Gruppe gehören. Das bedeutet, dass sie häufiger erkranken und eher an Corona sterben. Es gibt klare Studien, die belegen, dass Menschen in stark belasteten Umgebungen mehr Symptome haben und auch eher sterben.
Dann gibt es jedoch etwas, das zunächst unglaublich erscheint, nämlich die Verbindung zwischen Pollen und Corona. Pollen landen auf der Schleimhautoberfläche und hemmen das Immunsystem. Das haben wir auf verschiedenen Ebenen gezeigt. Seit über zehn Jahren untersuchen wir, wie Pollen das angeborene Immunsystem hemmen, speziell das Typ-1-Interferon. Aus irgendeinem Grund werden sie durch Pollen blockiert. Wir konnten in einer großen Studie mit Kollegen aus Göteborg zeigen, dass bei Pollenflug die Inzidenz von Rhino-viralen Infektionen, also normalem Schnupfen, höher ist. Das haben wir beobachtet und in vitro nachgewiesen. Alles in Bezug auf Schnupfenviren. Als ich 2020 die steigenden Corona-Zahlen sehe, denke ich: „Scheiße“. Dann haben wir gerechnet und tatsächlich hemmen sogar Pollen die Reaktion auf Coronaviren. Es besteht eine klare Korrelation zwischen hohen Pollenkonzentrationen und Corona. Hier kommt der Klimawandel ins Spiel, da er die Pollenkonzentration massiv erhöht. Ich sage nicht, dass es ohne Pollen kein Corona gäbe – das wäre Unsinn. Doch dies ist wiederum ein Mosaikstein in dem großen Bild der komplexen Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Mensch.
Kann es sein, dass Pollen mich trotz einer vernünftigen Ernährung und keiner starken Reaktion auf Pollen – also kein Asthma oder Allergien – trotzdem schädigen können, indem sie meine Immunantwort auf Corona verändern oder abschwächen?
Also, um es klarzustellen: Verschlimmern. Das betrifft nicht nur Allergiker. Es bedeutet nicht, dass nur Allergiker stärker belastet und gefährdet sind. Nein, es handelt sich um ein allgemeines Phänomen. Natürlich ist es so, dass es einem zehnjährigen Kind, dem Corona sowieso nichts anhaben kann, nichts ausmacht, wenn es ein bisschen Pollen auf der Magenschleimhaut hat. Aber für jemanden, der ohnehin übergewichtig ist oder an Diabetes leidet und im April viel Pollen auf der Nasenschleimhaut hat und dann jemanden trifft, der Corona hat, hat er einfach an dem Tag eine unglückliche Wahl getroffen, nach draußen zu gehen.
Verlassen wir mal die Viren, kommen wir mal zu etwas anderem, nämlich zu neuen Bakterienstämmen: Blaualgen in Badeseen zum Beispiel. Der Klimawandel bereitet uns an allen Orten Probleme. Können Sie ein bisschen was darüber erzählen?
Das ist auch wiederum vielschichtig. Wir können Folgendes schnell abhandeln: die durch Vektoren übertragenen Erkrankungen. Zum Beispiel durch Zecken, Mücken oder veränderte Ökosysteme aufgrund von Wärme. Es gibt neue Zeckenarten und Mückenarten, die bei uns zu Hause vorkommen. Diese Zecken tragen beispielsweise Borreliose-Bakterien in ihrem Darm. Borreliose ist eine Krankheit, die behandelt werden kann, aber dennoch unangenehm ist.
Ein weiteres Beispiel ist die Frühsommer-Meningoenzephalitis, ein Virus, das ebenfalls durch Zecken übertragen wird. Wir haben Berechnungen und bereits Realitäten, dass sich Zecken genauso wie Pollen ausbreiten. Ihre Saison wird länger. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich also von einer Zecke das Virus übertragen bekomme, erhöht sich. Die Zahl der Borreliose-Fälle hat sich bereits in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Es ist jedoch nicht nur so, dass das, was bereits existiert, zunimmt, sondern es treten auch neue Erkrankungen auf. Ein Beispiel dafür ist das West-Nil-Fieber-Virus, das von der Tigermücke übertragen wird, völlig neu bei uns. Ich habe gelernt, dass Erkrankungen, die es normalerweise in den Tropen gibt, jetzt auch bei uns auftreten. Diese vektorübertragenen Krankheiten nehmen zu, und es treten auch neue auf. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir durch die wärmere Ostsee zum Beispiel auch andere Bakterien haben, wie beispielsweise Cholera. Vibrio cholerae ist ein Bakterium, das in Wunden massive Entzündungen verursacht. Sie brauchen nur eine kleine Entzündung in einer Wunde zu haben und dann entsteht ein großer Krater. Das ist natürlich insbesondere bei älteren Menschen mit diabetischem Fuß ein Problem. Sie können daran sterben, weil sich eine Sepsis entwickelt. Ja, das kann immer eskalieren und durchaus realitätsnah sein. Dann haben wir natürlich die Zerkarien oder Blaualgen. Das sind Dinge, die in Gewässern aufgrund von Temperaturänderungen wachsen. Und das ist ein großes Thema. Blaualgen führen jetzt häufiger zum Tod von Hunden, weniger von Menschen. Aber es kann auch zu Hautreizungen und Entzündungen führen, was ebenfalls unangenehm ist.
Sehr vieles ist ja zu vermeiden, wenn man wenigstens dieses 1,5 Grad Ziel aus Paris einhalten würden. Da muss ja jeder vor seiner eigenen Haustür kehren, so wie Sie gerade mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von zu Hause zur Arbeit gefahren sind. Welche Lösungsansätze gibt es, um den Beitrag des Gesundheitssektors zur Treibhausgasemission zu reduzieren, der laut Berichten bei etwa 4,6 % liegt? Arbeiten Sie persönlich an solchen Lösungen mit? Und nimmt Deutschland oder Europa in diesem Bereich eine Vorreiterrolle ein?
Die Frage nach der Vorreiterrolle Deutschlands oder Europas im Bereich der Reduzierung des Beitrag des Gesundheitssektors zur Treibhausgasemission ist interessant. Leider müssen wir feststellen, dass wir in diesem Bereich keine Vorreiter sind. Die Briten haben hier bereits viel erreicht und sind in Sachen Klimawandel und Gesundheit führend. In Deutschland sind wir gerade erst dabei, darüber nachzudenken und erste Schritte zu unternehmen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Bayerische Ärztekammer, deren Präsident das Thema erkannt hat und Fortbildungen dazu anbietet. Dennoch sind wir noch weit davon entfernt, dass unsere Krankenhäuser nachhaltig sind. Ein kleines Beispiel aus der Praxis verdeutlicht dies: Als meine Sekretärin nach nachhaltigen Büromaterialien fragte, wurde ihr gesagt, dass dies die Welt nicht retten werde. Aber genau darum geht es doch – um jeden kleinen Schritt in die richtige Richtung. Die Denkweise der Nachhaltigkeit ist in Krankenhäusern noch nicht weit verbreitet. Der Plastikverbrauch ist enorm und auch der Stromverbrauch in Forschungslaboren kann erschreckend hoch sein. Wir sind jedoch dabei, unsere Labore nachhaltiger zu gestalten und das My Green Lab Zertifikat zu erhalten. Es fängt auch bei der Mülltrennung an. Obwohl Deutschland noch nicht gut darin ist, haben viele erkannt, dass wir Verbesserungen vornehmen müssen – und das ist bereits ein wichtiger erster Schritt.
Was sind denn Ihre Top Ten der Handlungsempfehlungen?
Zunächst geht es darum, Energie einzusparen. Es werden verschiedene Modelle entwickelt, sowohl auf politischer Ebene, um Möglichkeiten zu schaffen, als auch auf individueller Ebene – wie das Ausschalten von Licht. Zweitens müssen wir klimaschädliche Subventionen stoppen. Zum Beispiel ist es fragwürdig, warum auf Fleisch weniger Mehrwertsteuer berechnet wird als auf Fleischersatz. Drittens sollten wir uns auf die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen konzentrieren. Elektroautos sind viertens keine Allheillösung, da bereits bei ihrer Herstellung viele CO2-Äquivalente entstehen. Der fünfte Punkt ist, dass wir alle ein wenig mehr Verzicht üben müssen. Das Motto „Geiz ist geil“ sollte durch „Weniger ist mehr“ ersetzt werden. Es ist wichtig, dass Menschen verstehen, dass Verzicht in dieser Zeit notwendig ist. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Stadtplanung. Wir müssen sicherstellen, dass aktive Mobilität sinnvoll ist. Es ist auch wichtig, den Menschen zu erklären, dass alles, was sie für sich selbst tun, auch gut für das Klima ist. Zum Beispiel, wenn ich kein Fleisch esse, ist es gut für mich und das Klima. Wenn ich das Fahrrad nutze, ist es gut für mich und das Klima. Wenn ich mit dem Zug fahre, ist es gut für meine mentale Gesundheit und das Klima. Diese doppelte Gewinnsituation sollten wir unbedingt betonen.
Das Wichtigste ist also, dass wir uns sowohl auf die Abmilderung des Klimawandels als auch auf die Anpassung auf allen Ebenen konzentrieren müssen. Es geht nicht darum zu sagen, dass wir uns nur anzupassen hätten, weil sowieso alles zu spät sei. Der Klimawandel ist bereits Realität und wir müssen uns auf kommende Veränderungen vorbereiten. Das bedeutet, dass wir Anpassungsstrategien auf allen Ebenen benötigen. Im Gesundheitssektor setzen sich meine Kolleg:innen und ich dafür ein, dass wir diese Herausforderungen bewältigen. Andere Menschen müssen dies in ihrer Stadt und in ihren Betrieben und Bereichen tun. Es ist ein gemeinsamer Auftrag, den wir alle gemeinsam angehen müssen.
Sind Sie zuversichtlich bei all den Problemen in Kriegszeiten, dass wir die Kurve kriegen und die Ablenkungen nicht zu groß werden?
Ja, das ist der entscheidende Punkt. Es ist verständlich, dass wir uns gerne von anderen Problemen ablenken lassen. Der Ukraine-Krieg und die Krise im Nahen Osten sind beängstigend und schockierend. Allerdings lenken diese Ereignisse von viel wichtigeren Herausforderungen ab. Trotzdem bin ich überzeugt, dass wir es schaffen können, denn als Menschheit haben wir uns kontinuierlich weiterentwickelt. Und wir sehen bereits Fortschritte.
Ich glaube fest daran, dass wir es schaffen können, weil wir Menschen jeden Tag mitnehmen und weil wir es einfach müssen. Die Menschheit ist nicht nur vorübergehend auf dieser Welt. Ich glaube daran, dass wir in der Lage sind, unseren Planeten zu erhalten und dass viele zukünftige Generationen hier leben können.